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Verkehrsunfall – Prognose- und Werkstattrisiko des Schädigers

Nach einem Verkehrsunfall weigerte sich die gegnerische Versicherung, die vollen Reparaturkosten zu übernehmen. Die Geschädigte zog vor Gericht – und bekam Recht. Das Urteil stärkt die Position von Unfallopfern gegenüber Versicherungen.

➔ Zum vorliegenden Urteil Az.: 115 C 172/22 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Hilfe anfordern


✔ Der Fall: Kurz und knapp

  • Der Beklagte muss der Klägerin einen bestimmten Geldbetrag plus Zinsen zahlen.
  • Die Beklagte trägt alle Kosten des Rechtsstreits.
  • Das Gericht entschied ohne mündliche Verhandlung, was bei geringem Streitwert erlaubt ist.
  • Die Klägerin hat Anspruch auf Schadenersatz, weil ihr Fahrzeug durch das des Beklagten beschädigt wurde.
  • Das Gericht bestätigte, dass der Geschädigte die notwendigen Reparaturkosten geltend machen kann.
  • Ein Gutachten eines Kfz-Sachverständigen ist eine verlässliche Grundlage für die Höhe der Reparaturkosten.
  • Das Risiko für mögliche Werkstattfehler liegt beim Schädiger, unabhängig davon, ob der Geschädigte die Rechnung bereits bezahlt hat.
  • Der Geschädigte muss nicht überprüfen, ob die im Gutachten ausgewiesenen Reparaturmaßnahmen erforderlich sind.
  • Der Anspruch auf Zinszahlung entsteht ab dem Tag nach Zustellung der Klage an den Beklagten.
  • Das Gericht wies darauf hin, dass der Geschädigte schadlos gestellt werden muss, ohne dass ihm zusätzliche Kosten entstehen.

Schaden nach Verkehrsunfall: Wer trägt die Reparaturkosten?

In vielen Fällen können Verkehrsunfälle erhebliche rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Nicht nur der direkt Geschädigte, sondern auch der Verursacher können mit komplizierten juristischen Fragestellungen konfrontiert werden. Von besonderer Bedeutung ist hierbei oftmals die Frage, wer die Kosten für die Reparatur des beschädigten Fahrzeugs zu tragen hat.

Grundsätzlich liegt die Verantwortung für die Kosten beim Schädiger, also demjenigen, der den Unfall verursacht hat. Allerdings gibt es in der Rechtsprechung einige Ausnahmen und Besonderheiten, die es zu beachten gilt. So kann etwa der Geschädigte unter Umständen verpflichtet sein, das Fahrzeug in einer bestimmten Werkstatt reparieren zu lassen. Auch Prognosen über die Reparaturkosten können eine wichtige Rolle spielen.

Um ein tieferes Verständnis für diese rechtlichen Zusammenhänge zu entwickeln, wird im Folgenden ein aktuelles Gerichtsurteil zu diesem Thema näher beleuchtet und eingeordnet.

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✔ Der Fall vor dem Amtsgericht Bonn


Streit um Werkstattkosten nach Verkehrsunfall

Haftung für Werkstattkosten nach Verkehrsunfall
Der Schädiger bzw. dessen Versicherung müssen die Reparaturkosten und das Werkstattrisiko tragen, wenn der Geschädigte auf Basis eines Sachverständigengutachtens einen Reparaturauftrag erteilt. (Symbolfoto: 4 PM production /Shutterstock.com)

In diesem Fall geht es um einen Streit zwischen der Klägerin, der Geschädigten eines Verkehrsunfalls, und der Beklagten, der Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers. Die Klägerin verlangt die Erstattung von Reparaturkosten in Höhe von 396,50 Euro, die ihr nach dem Unfall entstanden sind.

Gericht verurteilt Versicherung zur Zahlung der strittigen Kosten

Das Amtsgericht Bonn hat entschieden, dass die beklagte Versicherung den geforderten Betrag von 396,50 Euro nebst Zinsen an die Klägerin zahlen muss. Zudem muss die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Geschädigte darf sich auf Schadengutachten verlassen

Nach Auffassung des Gerichts durfte sich die Klägerin als Geschädigte auf das von ihr in Auftrag gegebene Schadengutachten eines KFZ-Sachverständigen verlassen. Dieses Gutachten stellt grundsätzlich eine sachgerechte Grundlage für die Höhe der voraussichtlichen Reparaturkosten dar.

Wenn der Geschädigte auf Basis eines solchen Gutachtens einen Reparaturauftrag erteilt, muss er davon ausgehen können, dass die anfallenden Kosten vom Schädiger bzw. dessen Versicherung zu tragen sind. Dies gilt auch für Positionen wie das mehrmalige Auslesen des Fehlerspeichers, die Montage von Lackierrädern, eine Probefahrt, Verbringungskosten und Desinfektionskosten.

Versicherung trägt Prognose- und Werkstattrisiko

Das Gericht betont, dass die beklagte Versicherung auch dann das sogenannte Prognose- und Werkstattrisiko trägt, wenn die Klägerin die Rechnung noch nicht bezahlt haben sollte. Denn es würde dem Sinn und Zweck des Schadensersatzrechts widersprechen, wenn der Geschädigte bei der Schadensbeseitigung mit Mehrkosten belastet bliebe, deren Entstehung er nicht beeinflussen kann.

Das Kostenrisiko einer möglicherweise überhöhten Reparatur trifft den Schädiger bzw. dessen Versicherung, es sei denn, den Geschädigten selbst trifft ein Verschulden. Nur für den Geschädigten auch als Laien erkennbar unberechtigte oder deutlich überhöhte Rechnungspositionen sind anders zu bewerten. Dies war hier jedoch nicht der Fall.

✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall


Das Urteil stärkt den Schutz von Unfallopfern, indem es klarstellt, dass sich Geschädigte grundsätzlich auf Schadengutachten von Sachverständigen verlassen dürfen. Der Schädiger bzw. dessen Versicherung trägt das Risiko möglicherweise überhöhter Reparaturkosten, sofern diese für den Geschädigten nicht ohne weiteres als unberechtigt erkennbar sind. Damit wird verhindert, dass Geschädigte auf Kosten sitzen bleiben, die sie nicht beeinflussen können. Die Entscheidung dient der Umsetzung des Schadensersatzrechts zugunsten des Opfers.


✔ FAQ – Häufige Fragen

Das Thema: Haftung für Werkstattkosten nach Verkehrsunfall wirft bei vielen Lesern Fragen auf. Unsere FAQ-Sektion bietet Ihnen wertvolle Insights und Hintergrundinformationen, um Ihr Verständnis für dieses Thema zu vertiefen. Weiterhin finden Sie in der Folge einige der Rechtsgrundlagen, die für dieses Urteil wichtig waren.


Kann ich mein Fahrzeug in jeder Werkstatt reparieren lassen, wenn der Unfallgegner die Kosten trägt?

Ja, als Unfallgeschädigter können Sie grundsätzlich frei entscheiden, in welcher Werkstatt Sie Ihr Fahrzeug reparieren lassen möchten. Der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung muss die erforderlichen Reparaturkosten in der von Ihnen gewählten Werkstatt erstatten. Dieses Recht auf freie Werkstattwahl ergibt sich aus dem Grundsatz der Naturalrestitution gemäß § 249 BGB.

Es gibt jedoch Ausnahmen von diesem Grundsatz. Die gegnerische Versicherung kann Sie unter bestimmten Voraussetzungen auf eine günstigere „freie Fachwerkstatt“ verweisen. Dies ist möglich, wenn

  • Ihr Fahrzeug älter als drei Jahre ist und
  • die Versicherung nachweist, dass die Reparatur in der Alternativwerkstatt in gleicher Qualität wie in einer markengebundenen Fachwerkstatt erfolgen kann.

Ob eine solche Verweisung im Einzelfall zulässig ist, hängt von den konkreten Umständen ab. Sie müssen die Verweisung nicht akzeptieren, wenn Ihnen diese aus nachvollziehbaren Gründen unzumutbar ist, z.B. wegen

  • weiter Entfernung der Alternativwerkstatt,
  • Transportproblemen,
  • Zweifel an der Reparaturqualität oder
  • weil Ihr Fahrzeug bisher stets in einer markengebundenen Fachwerkstatt gewartet wurde.

Lassen Sie sich im Zweifelsfall anwaltlich beraten, um Ihre Rechte durchzusetzen. Ein erfahrener Verkehrsrechtler kann Ihnen dabei helfen, eine unberechtigte Verweisung abzuwehren.

Beachten Sie auch Bei einer Reparatur über die eigene Vollkaskoversicherung kann eine vertraglich vereinbarte Werkstattbindung dazu führen, dass Sie nicht frei über die Werkstatt entscheiden können. Hier sind Sie an die Vertragswerkstätten des Versicherers gebunden, ansonsten drohen finanzielle Nachteile.


Was ist das Prognose- und Werkstattrisiko bei einem Verkehrsunfall und wer trägt es?

Das Prognose- und Werkstattrisiko bezieht sich auf mögliche Abweichungen zwischen den ursprünglich geschätzten und den tatsächlich anfallenden Reparaturkosten nach einem Verkehrsunfall. Grundsätzlich trägt dieses Risiko der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung und nicht der Geschädigte.

Konkret bedeutet dies Folgendes. Der Geschädigte lässt nach dem Unfall üblicherweise ein Sachverständigengutachten erstellen, das den voraussichtlichen Reparaturaufwand prognostiziert. Beauftragt er dann eine Fachwerkstatt mit der Reparatur, können die tatsächlichen Kosten aus verschiedenen Gründen höher ausfallen als im Gutachten geschätzt. Als Beispiele sind zu nennen

  • bei der Reparatur werden zusätzliche, zunächst nicht erkannte Schäden festgestellt,
  • die Werkstatt führt unnötige Arbeiten aus oder
  • die Reparatur verzögert sich unverschuldet, etwa durch Lieferengpässe oder Krankheit von Mitarbeitern.

Für solche Mehrkosten muss der Schädiger einstehen, selbst wenn sie auf unsachgemäßes oder unwirtschaftliches Arbeiten der Werkstatt zurückgehen. Denn es wäre unbillig, den Geschädigten damit zu belasten, da er auf die Arbeitsabläufe in der fremden Werkstatt keinen Einfluss hat.

Nur ausnahmsweise ist der Geschädigte nicht schutzwürdig, wenn ihm bei der Auswahl der Werkstatt ein grobes Verschulden vorzuwerfen ist. Ein Beispiel wäre die Beauftragung einer Werkstatt, die für überhöhte Preise oder schlechte Arbeit bekannt ist. Ansonsten bleibt es aber beim Grundsatz „Werkstattrisiko zulasten des Schädigers“.

Für den Geschädigten hat dies den Vorteil, dass er sich bei der Beauftragung der Reparatur auf das Sachverständigengutachten verlassen darf. Kommt es zu Mehrkosten, kann er diese vom Schädiger ersetzt verlangen, ohne sich vorwerfen lassen zu müssen, nicht auf deren Erforderlichkeit geachtet zu haben.

Zu beachten ist allerdings Erstattet die gegnerische Versicherung im Voraus nur den Gutachtenbetrag, muss der Geschädigte die Differenz zunächst selbst begleichen, um sie dann zusätzlich einzufordern. Lehnt die Versicherung dies ab, bleibt oft nur der Klageweg. Hier kann sich der Geschädigte die Ansprüche gegen die Werkstatt abtreten lassen, um zu beweisen, dass er den vollen Rechnungsbetrag zahlen muss.


Welche Kosten muss die Versicherung des Unfallgegners neben der Reparatur meines Fahrzeugs noch übernehmen?

Die gegnerische Versicherung muss nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall neben den eigentlichen Reparaturkosten für das beschädigte Fahrzeug noch eine Reihe weiterer Kosten übernehmen. Dazu gehören insbesondere

  • Gutachterkosten für die Erstellung eines Kfz-Sachverständigengutachtens zur Ermittlung des Schadens,
  • Abschleppkosten, wenn das Fahrzeug nicht mehr fahrbereit ist,
  • Mietwagenkosten für die Dauer der Reparatur bzw. bis zur Wiederbeschaffung eines Ersatzfahrzeugs,
  • alternativ eine Nutzungsausfallentschädigung, wenn kein Mietwagen in Anspruch genommen wird,
  • Wertminderung des Fahrzeugs trotz erfolgter Reparatur,
  • Kostenpauschale für Telefon, Porto, Fahrtkosten etc. in Höhe von ca. 25-30 € sowie
  • Schmerzensgeld bei unfallbedingten Verletzungen.

Auch zusätzliche Kosten, die erst während der Reparatur festgestellt werden, muss die gegnerische Versicherung erstatten. Dieses sogenannte „Prognose- und Werkstattrisiko“ trägt der Schädiger. Stellen sich bei der Reparatur Mehrkosten gegenüber dem ursprünglichen Gutachten heraus, etwa weil weitere Schäden entdeckt werden, sind diese ebenfalls zu ersetzen. Der Geschädigte muss sie nicht selbst tragen, wenn er die Werkstatt sorgfältig ausgewählt hat.

Auch Anwaltskosten muss die gegnerische Versicherung bezahlen, wenn sich der Geschädigte anwaltlich vertreten lässt. Dies ist insbesondere ratsam, wenn Streit über den Umfang des Schadens besteht oder die Versicherung Positionen kürzen möchte.

Voraussetzung für die Kostenerstattung durch die Versicherung ist aber immer, dass der Geschädigte keine Mitschuld am Unfall trägt. Zudem darf er mit der Reparatur nicht beginnen, bevor die Versicherung diese freigegeben hat. Ansonsten riskiert er, auf den Kosten sitzen zu bleiben.


Was kann ich tun, wenn die Versicherung des Unfallgegners die Übernahme der Reparaturkosten verweigert oder nur einen Teilbetrag zahlen möchte?

Wenn die gegnerische Versicherung nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall die Übernahme der Reparaturkosten verweigert oder nur einen Teilbetrag zahlen möchte, sollten Geschädigte nicht vorschnell aufgeben, sondern ihre Rechte konsequent durchsetzen. Denn grundsätzlich muss die Versicherung des Unfallverursachers den gesamten Schaden ersetzen, wenn die Schuldfrage eindeutig geklärt ist.

Ein wichtiger erster Schritt ist es, die Gründe für die Zahlungsverweigerung zu hinterfragen. Oft beruft sich die Versicherung auf eine angebliche Mitschuld des Geschädigten oder zweifelt die Schadenshöhe an. Hier gilt es, mit Hilfe von Beweisen wie Zeugenaussagen, Fotos oder Sachverständigengutachten die eigene Position zu untermauern. Auch eine detaillierte Dokumentation des Unfallhergangs kann hilfreich sein, um Zweifel auszuräumen.

Führen Verhandlungen mit der Versicherung nicht weiter, ist anwaltliche Unterstützung ratsam. Ein auf Verkehrsrecht spezialisierter Rechtsanwalt kann die Ansprüche professionell durchsetzen und notfalls auch gerichtlich geltend machen. Die Kosten hierfür muss bei eindeutiger Sachlage die gegnerische Versicherung tragen.

Keinesfalls sollten sich Geschädigte unter Druck setzen lassen, vorschnell einen Vergleich zu schließen oder auf berechtigte Ansprüche zu verzichten. Zwar ist eine zügige Regulierung wünschenswert, sie darf aber nicht zulasten der Ansprüche gehen. Wenn die Versicherung auf Zeit spielt, können Geschädigte sie mit anwaltlicher Hilfe in Verzug setzen und so den Druck erhöhen.

Zu beachten ist auch das sogenannte „Werkstatt- und Prognoserisiko“. Selbst wenn sich die tatsächlichen Reparaturkosten im Nachhinein als höher erweisen als im Kostenvoranschlag prognostiziert, muss die Versicherung sie in voller Höhe erstatten. Geschädigte müssen also nicht befürchten, auf Mehrkosten sitzen zu bleiben, wenn bei der Reparatur verdeckte Schäden zutage treten.

Insgesamt gilt Hartnäckigkeit zahlt sich aus. Wer seine berechtigten Ansprüche mit Beweisen untermauert, anwaltliche Hilfe in Anspruch nimmt und sich nicht vorschnell mit einer Teilzahlung zufrieden gibt, hat gute Chancen, am Ende eine vollständige Regulierung zu erreichen.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils


  • § 7 Abs. 1 StVG (Straßenverkehrsgesetz): Regelt die Haftung des Fahrzeughalters für Schäden, die beim Betrieb seines Fahrzeugs entstehen. Im konkreten Fall verpflichtet dies den Halter zur Zahlung der entstandenen Reparaturkosten.
  • § 18 Abs. 1 StVG: Erweitert die Haftung auf den Fahrzeugführer. Dies bedeutet, dass sowohl der Halter als auch der Fahrer für den Schaden verantwortlich sind.
  • § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG (Versicherungsvertragsgesetz): Erlaubt es dem Geschädigten, direkt gegen die Kfz-Haftpflichtversicherung des Schädigers vorzugehen. Das erleichtert dem Geschädigten die Durchsetzung seiner Ansprüche.
  • § 249 Abs. 2 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Legt fest, dass der Geschädigte Anspruch auf Ersatz derjenigen Kosten hat, die zur Behebung des Schadens notwendig und angemessen sind. Dies ist relevant für die Höhe der erstattungsfähigen Reparaturkosten.
  • § 254 BGB: Regelt die Schadensminderungspflicht des Geschädigten. Im vorliegenden Fall muss der Geschädigte keine eigenen Nachforschungen anstellen, ob die Reparaturmaßnahmen erforderlich sind, sondern darf sich auf das Gutachten verlassen.
  • § 286 Abs. 1, § 288 Abs. 1, § 291 BGB: Bestimmen den Anspruch auf Verzugszinsen, der entsteht, wenn der Schuldner seiner Zahlungspflicht nicht rechtzeitig nachkommt. Die Zinsen werden ab dem Tag nach Zustellung der Klage gefordert.
  • § 495a ZPO (Zivilprozessordnung): Erlaubt dem Amtsgericht, in Verfahren mit geringem Streitwert ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden. Dies beschleunigt das Verfahren und reduziert die Kosten.
  • § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO: Bestimmt, dass die unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Hierdurch werden die Klägerin von den Kosten entlastet.


⇓ Das vorliegende Urteil vom Amtsgericht Bonn

AG Bonn – Az.: 115 C 172/22 – Urteil vom 18.10.2022

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 396,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.07.2022 zu zahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Ohne Tatbestand (gemäß § 313a Abs. 1 ZPO).

Entscheidungsgründe

I. Das angerufene Gericht konnte gemäß § 495a ZPO im streitigen Endurteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden. § 495a ZPO erlaubt dem Amtsgericht, ein Verfahren mit einem – wie dem vorliegenden – Streitwert von bis zu 600,00 EUR nach seinem billigen Ermessen zu gestalten. Insoweit durfte auch eine Entscheidung nach Ablauf der Frist zur Stellungnahme in der Verfügung vom 12.09.2022 von Amts wegen ergehen. Hierauf sind die Parteien hingewiesen worden.

II. Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 396,50 EUR gem. §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG i.V.m. § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG.

Nach § 7 Abs. 1 StVG hat der Halter dem Verletzten den Schaden zu ersetzen, der entsteht, wenn bei dem Betrieb seines Kraftfahrzeuges eine Sache beschädigt wird. Nach § 18 Abs. 1 StVG ist in diesem Fall auch der Führer des Fahrzeuges zum Ersatz des Schadens verpflichtet. Gemäß § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG kann der Geschädigte diese Ansprüche auch unmittelbar gegenüber der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung geltend machen.

Die Haftung dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig.

Die Klägerseite kann auch der Höhe nach den tenorierten Betrag von der Beklagten verlangen.

Der Geschädigte kann nach § 249 Abs. 2 BGB vom Schädiger den Ersatz derjenigen Kosten verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen. Der Geschädigte ist dabei nach dem in § 249 Abs. 2 S.1 BGB verankerten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, wobei das Wirtschaftlichkeitsgebot nicht absolut, sondern nur im Rahmen des dem Geschädigten Zumutbaren und unter Berücksichtigung seiner individuellen Lage gilt. Nimmt der Geschädigte gem. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB die Schadensbehebung selbst in die Hand, ist der zur Herstellung erforderliche Aufwand daher nach der besonderen Situation zu bemessen, in der sich der Geschädigte befindet, und insbesondere Rücksicht auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (vgl. BGH NJW 2020, 144 mwN).

Für den Kläger durfte das in Auftrag gegebene Schadengutachten eines KFZ-Sachverständigen (vgl. Bl. 34 f. d.A.) ein entscheidendes Indiz für den erforderlichen Herstellungsaufwand im Sinne den § 249 Abs. 2 BGB sein.

Ein solches Gutachten stellt grundsätzlich eine sachgerechte Grundlage für die Höhe der voraussichtlichen Reparaturkosten dar, sofern es wie hier hinreichend ausführlich ist und das Bemühen erkennen lässt, dem konkreten Schadensfall vom Standpunkt eines wirtschaftlich denkenden Betrachters gerecht zu werden (vgl. BGH NJW 1989, 1056). Holt der Geschädigte daher ein Schadengutachten ein und erteilt auf Grundlage dieses Gutachtens einen entsprechenden Reparaturauftrag, so schlagen sich bereits in der Erteilung dieses Auftrags die eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten nieder. Denn bereits durch die Erteilung des konkreten Auftrags ist der Geschädigte zur Zahlung der anfallenden Reparaturkosten verpflichtet (vgl. LG Saarbrücken, Urteil vom 22.10.2021 – 13 S 69/21, NJW 2022, 87 Rn. 9, beck-online).

Aufgrund der vorgenannten Ausführungen kann offen bleiben, ob der Kläger die streitgegenständliche Rechnung bereits ausgeglichen hat oder nicht. Denn selbst wenn der Kläger den streitgegenständlichen Betrag noch nicht ausgeglichen hätte, trägt die Beklagte auch im Fall einer unbezahlten Reparaturrechnung das Werkstattrisiko. Das LG Saarbrücken führt hierzu aus:

Die Risikoverlagerung auf den Schädiger erfolgt [daher] bereits in dem Zeitpunkt, in dem der Geschädigte sich auf der Grundlage eines Schadensgutachtens berechtigterweise für die Instandsetzung entscheidet und den Reparaturauftrag erteilt (vgl. BGHZ 63, 182 = NJW 1975, 160; OLG Hamm DAR 2021, 328 = BeckRS 2020, 10679; s. auch BGHZ 200, 350 = NJW 2015, 468). Dann aber kann die Zuweisung des Werkstattrisikos an den Schädiger gerade nicht davon abhängen, ob der Geschädigte den in Rechnung gestellten Betrag bereits bezahlt hat oder nicht. Denn es würde grundsätzlich dem Sinn und Zweck des § 249 I 2 BGB widersprechen, wenn der Geschädigte bei Ausübung der ihm durch das Gesetz eingeräumten Ersetzungsbefugnis im Verhältnis zu dem ersatzpflichtigen Schädiger mit Mehraufwendungen der Schadensbeseitigung belastet bliebe, deren Entstehung seinem Einfluss entzogen ist und die ihren Grund darin haben, dass die Schadensbeseitigung in einer fremden, vom Geschädigten nicht kontrollierbaren Einflusssphäre stattfinden muss (vgl. BGHZ 63, 182 = NJW 1975, 160). Dies gilt auch im Falle einer noch nicht bezahlten Werkstattrechnung. Das Prognose- und Werkstattrisiko trifft den Schädiger daher ungeachtet dessen, ob der Geschädigte die Rechnung bereits bezahlt hat, nur dann nicht, wenn – wofür hier nichts ersichtlich ist – den Geschädigten ein Verschulden trifft (vgl. BGHZ 115, 364 = NJW 1992, 302 mwN).

(vgl. LG Saarbrücken, Urteil vom 22.10.2021 – 13 S 69/21, NJW 2022, 87, Rn.10)

Diesen Ausführungen schließt sich das Gericht uneingeschränkt an.

Nachdem eben gesagten, zählen die in Streit stehenden Positionen (Mehrmaliges Auslesen des Fehlerspeichers, Montage der Lackierräder, eine Probefahrt, Verbringungskosten sowie Desinfektionskosten) zu den von der Beklagtenseite zu ersetzenden erforderlichen Wiederherstellungskosten. Alle von der Beklagten nicht oder nur zum Teil anerkannten Positionen sind im vom Kläger in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachten enthalten. Auch die im Sachverständigengutachten angegebenen Preise übertreffen nicht die in der Endrechnung zugrunde gelegten Beträge. Insoweit war die Rechnung auch bzgl. der Höhe der Desinfektionskosten für den Kläger als Laien nicht als grundsätzlich überhöht erkennbar.

Aus eben diesen Gründen besteht auch kein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht gem. § 254 BGB. Ein Geschädigter soll schadlos gestellt werden und zwar auf einfache Art und Weise. Es ist nicht seine Aufgabe im Rahmen der Schadensminderungspflicht Nachforschungen darüber anzustellen, ob die im Gutachten ausgewiesenen Reparaturmaßnahmen erforderlich sind oder nicht. Würde man dieses von einem Geschädigten verlangen und verletzt er diese Pflicht, so hat er dennoch die Reparatur gern. Gutachten zu bezahlen und muss in Folgeprozessen gegen Werkstatt und Gutachter versuchen seine Kosten erstattet zu erlangen. Es ist daher sachgerecht den Geschädigten von dem Kostenrisiko einer überhöhten Reparatur grundsätzlich freizustellen und dieses Kostenrisiko dem Schädiger, welcher für den Schaden eben verantwortlich ist, aufzuerlegen. Lediglich für den Geschädigten auch als Laien erkennbar unberechtigte oder deutlich überhöhte Rechnungspositionen sind anders zu bewerten

(vgl. AG Augsburg Endurteil v. 17.6.2022 – 12 C 763/22).

Der Anspruch auf Zinszahlung ergibt sich aus §§ 286 Abs.1, 288 Abs.1, 291 BGB. Die Klage ist dem Beklagten am 19.07.2022 zugestellt worden, sodass für die hier geltend gemachte Geldschuld ab dem folgenden Tage entsprechend Zinsen geltend gemacht werden können, vgl. §§ 253 Abs.1, 261 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 187 BGB analog.

III. Die Kostenentscheidung richtet sich nach §§ 91 Abs. 1 S.1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Der Streitwert wird auf 396,50 EUR festgesetzt.

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