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Ergänzende Vertragsauslegung bei dinglichem Wegerecht

Die Komplexität der Vertragsauslegung im Falle von dinglichem Wegerecht

Im Zentrum dieses Rechtsstreits stehen zwei Grundstücksnachbarn, die sich wegen einer dinglichen Wegerechts und daraus resultierenden Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen gegenübersehen. Es handelt sich um ein komplexes Szenario, das auf einer Vertragsinterpretation basiert, die aus der Perspektive des dinglichen Rechts betrachtet wird.

Der Kläger ist Eigentümer von zwei Flurstücken (F1 und F2), während die Beklagten ein angrenzendes Grundstück (F3) besitzen. Mit einem notariellen Kaufvertrag von 2016 gewährten die Parteien sich gegenseitig Wegerechte. Die komplexen Bedingungen dieser Rechte und die physische Darstellung des Wegerechts auf einer beigelegten Skizze bilden den Hauptkonfliktpunkt in diesem Streit.

Direkt zum Urteil Az: 61 C 502/20 springen.

Diskussion über Wege- und Leitungsrechte

Im Kaufvertrag gewährte der Kläger den Beklagten das Recht, auf seinem Grundstück entlang eines bestimmten Pfads zu fahren und zu gehen, sowie übliche Leitungen für Versorgung und Entsorgung zu verlegen und instand zu halten. Diese Bedingungen wurden auf einer beigelegten Skizze dargestellt.

Die Beklagten gewährten dem Kläger wiederum das Recht, auf einem bestimmten Teil ihres erworbenen Grundstücks zu fahren und zu gehen. Beide Wegerechte waren auf der Skizze gelb markiert.

Streit um Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche

Trotz der scheinbaren Klarheit der Vertragsbedingungen entstand ein Rechtsstreit. Die Parteien konnten sich nicht über die Auslegung der im Vertrag festgelegten Wege- und Leitungsrechte einigen, was zu Forderungen nach Unterlassung und Beseitigung führte. Die Auslegung des Vertrags und insbesondere die Interpretation der Skizze wurden zum zentralen Streitpunkt.

Das Urteil und seine Folgen

Das Amtsgericht Stade entschied schließlich in dieser Angelegenheit und wies sowohl die Klage als auch die Widerklage ab. Darüber hinaus wurden die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben. Das Urteil war vorläufig vollstreckbar, wobei die Möglichkeit gegeben war, die Vollstreckung durch eine Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden.

Insgesamt bietet dieser Fall einen interessanten Einblick in die Komplexität der Vertragsauslegung bei dinglichem Wegerecht. Es zeigt, wie wichtig klare Vereinbarungen und Darstellungen in solchen Fällen sind und wie unterschiedliche Interpretationen zu Rechtsstreitigkeiten führen können.


Das vorliegende Urteil

AG Stade – Az.: 61 C 502/20 – Urteil vom 19.08.2021

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Widerklage wird abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

5. Der Streitwert wird festgesetzt auf 8.000,- Euro.

Tatbestand

Die Parteien streiten als Grundstücksnachbarn über Wegerechte und Unterlassungs- bzw. Beseitigungsansprüche.

Der Kläger ist aktueller Eigentümer der Flurstücke F1 und F2 der Flur F der Gemarkung HT, postalische Anschrift H.-Str. b. Die Beklagten sind derzeit gemeinschaftliche Eigentümer des Flurstücks F3 der Flur F der Gemarkung HT mit der postalischen Anschrift H.-Str. c.

Mit notariellem Kaufvertrag vom 29.07.2016 erwarben die Beklagten von dem Kläger das zu dem Zeitpunkt noch vom Katasteramt neu zu vermessende Grundstück und bewilligten wechselseitig in § 9 des notariellen Kaufvertrages Wege- und Leitungsrechte: Zum einen bewilligte der Kläger für den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks der Flurnummer F3 als Grunddienstbarkeit das Recht, „am linken Rand (von der H.-Str. aus gesehen) des dienenden Grundstücks in einer Breite von 3 Metern von der H.-Str. kommend aus bis zum herrschenden Grundstück und von diesem zurückzufahren und zu gehen und alle üblichen Leitungen (Ver- und Entsorgungsleitungen) einzulegen und instand zu halten. Der Verlauf des Weges ist auf der beigefügten Skizze gelb eingezeichnet.“ Die Beklagten bewilligten ihrerseits zulasten des von ihnen erworbenen Grundstücks für den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks der Flur F, Flurstück F1, das Recht, „am rechten Rande (von der H.-Str. aus gesehen) des dienenden Grundstücks in einer Breite von 3 Metern von der H.-Str. und seinem oben näher bezeichneten Grundstück kommend aus bis zur hinteren Grenze des dienenden Grundstücks und von diesem zurückzufahren und zu gehen. Die beigefügte Skizze dient einer weiteren Darstellung des mit dem Wegerecht belasteten Teils des Grundstücks und ist gelb markiert.“

Auf der dem notariellen Kaufvertrag beigefügten Skizze, die nicht maßstabsgetreu ist, haben alle Parteien und die Notarin unterzeichnet. Das gelb schraffierte Wegerecht verläuft dabei, soweit es zugunsten des Beklagten- und zulasten des Klägergrundstücks bestellt ist, neben einer in die Skizze eingezeichneten Hecke. Das zugunsten des Kläger- und zulasten des Beklagtengrundstücks ebenfalls gelb schraffiert eingezeichnete Wegerecht endet auf Höhe des von der H.-Str. aus gesehen letzten der drei Wassertanks, die in der Skizze auf dem Grundstück des Klägers ebenfalls verzeichnet sind.

Die Beklagten errichteten von ihrem Grundstück aus gesehen in Richtung der Wassertanks zum Klägergrundstück hin Seitenmarkisen, die sich öffnen lassen. Schließlich verlegten die Beklagten an den jeweiligen Grundstücksgrenzen zu den Flurstücken des Klägers mit den Nummern F1 und F2 jeweils zwei Reihen übereinander gestapelte Pflastersteine.

Der Kläger forderte mit Schreiben vom 30.06.2020 die Beklagten vergeblich auf, ihm die Überfahrt über das Grundstück der Beklagten auf die in seinem Eigentum stehenden Flurstücke F1 und F2 zu ermöglichen und hierzu sowohl den Sichtschutz bzw. den Zaun und die aufgestapelten Steine zu entfernen. Die Beklagten lehnten dies mit Schreiben vom 08.07.2020 ab.

Der Kläger behauptet, er könne ohne das bis zur Grundstücksgrenze reichende und ihm eine Überfahrt ermöglichende Wegerecht die an der Grenze auf seinem Grundstück gelegenen Wassertanks nicht erreichen und müsse unter großen Schwierigkeiten auf dem Grundstück der Beklagten wenden, um von den Wassertanks wieder zurück zur Straße bzw. auf sein eigenes Grundstück zu gelangen. Der Kläger ist der Auffassung, das Wegerecht reiche bis zum Ende des an die Beklagten veräußerten Flurstücks und gewährleiste auch eine Überwegung auf das Flurstück F1. Die zeichnerische Darstellung des Notariats sei insoweit unrichtig, weil das Wegerecht zu früh ende und damit dem Vertragstext widerspreche. Hinsichtlich des Widerspruchs zwischen Text und Zeichnung sei dem Text der Vorrang zu gewähren. Anlässlich der notariellen Verhandlung seien Sinn und Zweck mit den Wassertanks ausdrücklich besprochen worden. Es sei auch Gegenstand der Vorverhandlungen gewesen, dass es dem Kläger darum gegangen sei, Rangiermaßnahmen zu vermeiden, weswegen er um die Wassertanks über das auf dem Grundstück der Beklagten bestellte Wegerecht habe herumfahren wollen.

Der Kläger behauptet weiter, die Beklagten hätten eine Steinbarriere errichtet, die den Zweck des vertraglich vereinbarten Wegerechts konterkariere. Der von den Beklagten errichtete Zaun sei nur mit großem Aufwand für den Kläger zu öffnen. Die Steinbarriere hindere am Fahren vom Klägergrundstück auf die Wegerechtsfläche. Der Zugriff auf die Wasserfässer sei im Übrigen nicht der einzige Zweck des Wegerechts gewesen. Es sei auch um Zu- und Abgangsverkehr zum Klägergrundstück gegangen, was ebenfalls vor und anlässlich des Vertragsschlusses besprochen worden sei. Insbesondere verweist der Kläger darauf, dass er das Grundstück – insoweit unstreitig – zunächst gar nicht zum Verkauf angeboten hatte, sondern selbst das Wegerechtgrundstück in seinem Eigentum verbleiben sollte. Er habe seinen Willen bei den Kaufvertragsverhandlungen deutlich gemacht. Das Wegerecht habe auf gesamter Länge bestellt werden sollen. Die Planzeichnung sei insofern falsch. Es gehe nicht nur um das Erreichen der Wasserfässer, sondern auch um das leichte Überfahren. Der Kläger habe deutlich gemacht, nicht schlechter gestellt zu werden, als dies beim vorherigen Zustand der Fall gewesen ist. Sonst hätte der Kläger das Grundstück nicht verkauft.

Hinsichtlich der Naturhecke auf seinem Grundstück verweist der Kläger darauf, dass diese bereits bei der Besichtigung des Grundstücks durch die Beklagten vor dem Verkauf und bei der Bestellung des Wegerechts so vorhanden gewesen sei. Das Wegerecht der Beklagten sei durch die Hecke nicht beeinträchtigt. An allen Stellen sei eine Durchfahrtsbreite von 3 m gewährleistet. Soweit der Fahnenmast die 3 m Breite geringfügig einschränke, könnten normale Fahrzeuge dennoch passieren. Im Übrigen sei er bereits bei Bestellung des Wegerechts in die Liegenschaftskarte eingezeichnet und den Beklagten im Übrigen auch in tatsächlicher Hinsicht durch die Besichtigung bekannt gewesen. Die Beklagten hätten schließlich ihren Vorgarten selbst so angelegt, dass eine 3 m breite Durchfahrt nicht mehr in Höhe des Fahnenmastes voll gewährleistet sei. Der Kläger behauptet weiter, der Dachüberstand seiner Scheune am Rande des Wegerechtsstreifens habe eine Höhe von 3,90 m, was für normale Lkw beim Durchfahren ausreiche. Im Übrigen verweist er darauf, dass auch dieser Umstand den Beklagten bei der Bestellung des Wegerechts bekannt gewesen sei.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagten zu verurteilen, jedwede Beeinträchtigungen des den Kläger über das Flurstück F3 der Flur F der Gemarkung HT an der östlichen Seite zustehenden Wegerechts zu unterlassen und insbesondere das Wegerecht in der gesamten Länge des Flurstücks zu gewähren,

2. die Beklagten zu verurteilen, die auf diesem Wegerecht etwa in Höhe des letzten auf dem Grundstück des Klägers befindlichen Wassertanks errichtete Steinbarriere zu beseitigen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Widerklagend beantragen die Beklagten, den Kläger zu verurteilen,

1. die hohe Naturhecke am linken Rand (von der H.-Str. aus gesehen) seines Grundstücks, Gemarkung HT, Flur F, Flurstück F1 soweit zurückzuschneiden und zurückgeschnitten zu halten, dass auf ganzer Länge dieser Naturhecke eine Durchfahrtsbreite von 3 m zum Erreichen des Grundstücks der Beklagten und Widerkläger, Gemarkung HT, Flur F, Flurstück F3, gewährleistet ist sowie

2. den Fahnenmast am linken Rand (von der H.-Str. aus gesehen) seines Grundstücks, Gemarkung HT, Flur F, Flurstück F1, vor der unmittelbaren Zufahrt zum Grundstück der Beklagten und Widerkläger, Gemarkung HT, Flur F, Flurstück F3, so (auf seinem Grundstück) umzusetzen, dass im Bereich der unmittelbaren Zufahrt zum vorgenannten Grundstück der Beklagten und Widerkläger eine Durchfahrtsbreite von 3 m vom linken Rand (von der H.-Str. aus gesehen) seines Vordergrundstücks zum rechten Rand des Grundstücks der Beklagten und Widerkläger gewährleistet ist, um deren Grundstück zu erreichen.

Der Kläger beantragt, die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagten halten im Hinblick auf die Klage den Umfang des Wegerechts für textlich und zeichnerisch klar geregelt. Der Vertragstext sei durch die Skizze näher konkretisiert. Das Wegerecht des Klägers ende am letzten Wassertank. Eine Überwegung zum Flurstück F1 sei in der Vertragsurkunde schließlich nirgends erwähnt. Die Skizze gebe den Parteiwillen wieder. Es sei immer nur um die Zufahrt zu den Wassertanks, nicht um eine Überwegung zum dahinterliegenden Grundstück oder zu dem seitlich gelegenen Grundstück des Klägers gegangen. Die Beklagten verweisen insoweit darauf, dass das Hinterliegergrundstück durch den Kläger auch ohne weiteres über sein eigenes Nachbargrundstück zu erreichen sei. Auch eine Überwegung auf das Hinterliegergrundstück sei nicht geregelt. Hierüber sei auch nicht gesprochen worden. Es sei auch nicht über die Vermeidung von Rangiermanövern gesprochen worden bei den Vertragsverhandlungen, sondern es sei allein um die Anfahrt der Wassertanks durch den Kläger gegangen. Demgegenüber sei es den Beklagten insbesondere um die Vermeidung von Durchgangsverkehr auf dem von ihnen erworbenen Grundstück gegangen. Deswegen habe man sich auf die vom Exposé des Maklers abweichende Regelung geeinigt. Die Beklagten halten für den Kläger ein Zurücksetzen des Treckers auf dem Wegerechtstreifen im Übrigen für zumutbar.

Die Beklagten sind außerdem der Auffassung, das Wegerecht des Klägers sei durch die Maßnahmen der Beklagten nicht beeinträchtigt. Der Zaun am hinteren Ende des Grundstücks der Beklagten beeinträchtige den Kläger nicht in seinem Wegerecht. Eine behindernde Steinbarriere vorher gebe es nicht. Die Steineinfassung, die die Beklagten angelegt hätten, befinde sich erst an den Grundstücksgrenzen zur Seite und nach hinten. Die Seitenmarkisen dienten als Sichtschutz und könnten unschwer geöffnet werden.

Im Hinblick auf die Widerklage behaupten die Beklagten, dass das ihnen eingeräumte Wegerecht durch die Naturhecke des Klägers in Verbindung mit dem an seiner Scheune angebrachten Dachüberstand beeinträchtigt sei. Es bestehe für passierende Fahrzeuge die Gefahr, mit einem Gebäudeteil zu kollidieren. Die Durchfahrtsbreite betrage nur noch 2 m statt 3 m, in Höhe des Fahnenmastes ca. 2,80 m. Die Hecke sei seit Vertragsschluss erheblich gewachsen. Das Dach der Obstscheune verhindere so die Durchfahrt. Anliefervorgänge würden erschwert bzw. vereitelt. Solche seien haushaltsüblich. Die Gestaltung des Vorgartens der Beklagten sei insoweit ohne Relevanz. Der Fahnenmast sei entgegen des Vortrags des Klägers nicht im Liegenschaftsregister verzeichnet.

Die Beklagten tragen schließlich vor, der Kläger habe am 19.03.2021 einen solchen Rückschnitt an der Hecke durchführen lassen, dass 30 bis 40 cm an Breite weggenommen worden seien. Die Beklagten vertreten die Auffassung, dass der Kläger damit die gerichtliche Beweiserhebung unterlaufen und die Durchfahrtsbreite vorübergehend wieder vergrößert habe. Dennoch seien 3 m an der Grundstücksgrenze weiterhin nicht gewährleistet, weil die Hecke selbst eine Breite bis zu 2,90 m habe. Zwischen dem Vordach und der Hecke seien es nur ca. 2 m bis 2,10 m. Das Wegerecht verlaufe nicht teilweise unter dem Vordach der Scheune, da bei abgestellten Maschinen dann keine 3 m-Breite mehr einzuhalten sei. Auch ab 3,50 m Höhe der Fahrzeuge sei eine Durchfahrt erheblich eingeschränkt. Der Kläger lasse die Hecke immer wieder in den Weg hineinwachsen. Die Fläche unter dem Vordach werde auch als Abstellfläche für Obstkisten benutzt.

Das Gericht hat zunächst am 03.12.2020 den Kläger und die Beklagten informatorisch angehört. Wegen des Ergebnisses wird insoweit auf das entsprechende Protokoll (Bl. 46 ff. d. A.) verwiesen. Weiterhin hat das Gericht die Zeuginnen Notarin S. und I. B. vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird insoweit auf das Protokoll vom 28.01.2021 verwiesen (Bl. 84 ff. d. A.). Schließlich hat das Gericht Beweis erhoben durch Gutachten des Sachverständigen v. B., wegen dessen Einzelheiten auf das schriftliche Gutachten (Bl.130 ff. d. A.) verwiesen wird.

Zudem verweist das Gericht hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens auf sämtliche gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.

Entscheidungsgründe

Klage und Widerklage sind jeweils zulässig, aber unbegründet.

I.

Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagten kein Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruch wegen Beeinträchtigungen des ihm vertraglich eingeräumten Wegerechts zu:

Der Kläger hat gemäß den §§ 1004 Abs. 1, 1018, 1027 BGB keinen Anspruch gegen die Beklagten wegen Beeinträchtigung des ihm vertraglich eingeräumten Wegerechts. Denn der Kläger hat nicht bewiesen, dass das ihm eingeräumte Wegerecht ein solches sein sollte, dass ihm nicht nur das Anfahren seiner Wassertanks durch Vor- und Zurückfahren bis an das Ende des Beklagtengrundstücks ermöglichen sollte, sondern darüber hinausgehend auch die Überfahrt auf das dahinterliegende Grundstück bzw. das Umfahren der Wassertanks auf das eigene Grundstück des Klägers.

Die vertraglichen Vereinbarungen, wie sie sich aus dem notariellen Urkundentext ergeben, sind insoweit nicht eindeutig. Während nach dem Text der Vertragsurkunde eher von einem Überwegungsrecht im Sinne des Klägers auszugehen wäre, ist dieser Text durch die beigefügte Skizze und die darin enthaltene Schraffierung des zugunsten des Klägers bestellten Wegerechts entkräftet. Denn nach der Schraffierung allein ergebe sich lediglich ein Wegerecht, das etwa auf Höhe des letzten auf dem Nachbargrundstück des Klägers belegenen Wassertanks endete.

Um den wahren Willen der Parteien gem. §§ 133, 157 BGB aufgrund der Widersprüchlichkeit der zwei Erklärungen – Text einerseits, Skizze andererseits – zu ermitteln, hat das Gericht die Parteien informatorisch angehört sowie die Zeugen S. und I. B. vernommen. Nach dem Ergebnis dieser Beweisaufnahme hat der Kläger jedenfalls nicht den von ihm behaupteten Umfang des vertraglichen Wegerechts bewiesen. Zwar hat der Kläger selbst, weitgehend identisch mit den Angaben der Zeugin I. B., soweit diese ergiebig waren, angegeben, dass es jedenfalls vorab Thema gewesen sei, bevor es zur Notarin gegangen sei, dass ein Umfahren der Wasserfässer für ihn besonders wichtig war. Indes hat der Kläger nicht bewiesen, dass dies dadurch auch Eingang in den notariellen Vertragstext gefunden hat. Die Beklagten haben nämlich ihrerseits insoweit angegeben, dass hiervon gerade nicht die Rede gewesen sei, dass es ihnen vielmehr um die Vermeidung von Durchgangsverkehr gegangen sei und sie einem Wegerecht, wie es der Kläger verstehen möchte, keinesfalls zugestimmt hätten. Maßgeblich ist insoweit auch die Aussage der Zeugin und Notarin S., die ihrerseits bekundet hat, dass nach ihrer Erinnerung es immer allein um das Anfahren der Wasserfässer gegangen sei, nicht aber um ein Überfahren auf das Hinterliegergrundstück oder um ein Umfahren der Wasserfässer auf das Nachbargrundstück des Klägers. Das Gericht kann sich bei dieser Beweislage jedenfalls nicht die Überzeugung davon bilden, dass dem Kläger durch übereinstimmende Willenserklärungen beider Parteien ein so weitreichendes Wegerecht eingeräumt werden sollte, wie er es aus der notariellen Vereinbarung herleiten will und möglicherweise sich gewünscht hätte. Ausreichenden Widerhall in der vertraglichen Vereinbarung findet dieses Wegerecht in diesem Umfang auch bei der gebotenen (ergänzenden) Vertragsauslegung durch das Gericht, die es im Angesicht der durchgeführten Beweisaufnahme vorgenommen hat, nicht.

Bezieht sich das Wegerecht danach allein auf das Vor- und Zurückfahren auf dem Wegerechtstreifen über das Grundstück der Beklagten bis zur hinteren Grundstücksgrenze, jedenfalls aber bis zum letzten der drei Wassertanks, so ist dieses so verstandene Wegerecht durch die durch die Beklagten ergriffenen Maßnahmen in Form des Setzens einer Steinreihe oder des Aufspannens von Seitenmarkisen in tatsächlicher Hinsicht nicht beeinträchtigt. Die Steine befinden sich nämlich jenseits der durch Auslegung ermittelten Grenzen des Wegerechts, und das Öffnen der unverschlossenen Seitenmarkisen ist dem Kläger zur Ausübung seines Anfahrtrechts zu seinen Wassertanks zumutbar.

II.

Die Widerklage ist ebenfalls unbegründet. Den Beklagten steht ihrerseits gegen den Kläger ebenfalls kein Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruch im Hinblick auf die Beeinträchtigung des ihnen eingeräumten vertraglichen Wegerechts zu:

Auch die Beklagten haben gegen den Kläger keinen aus den §§ 1004 Abs. 1, 1018, 1027 BGB abgeleiteten Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruch wegen der Hecke oder des Dachüberstands. Denn das bei ergänzender Vertragsauslegung in seinem Umfang ermittelte Wegerecht zugunsten der Beklagten ist durch die Grundstücksgestaltung des Klägers nicht so beeinträchtigt, dass ein entsprechender Anspruch der Beklagten begründet werden könnte (1.). Auch hinsichtlich des Fahnenmastes kann keine Beseitigung verlangt werden, weil der Anspruch insoweit wegen Verwirkung gemäß § 242 BGB ausgeschlossen ist (2.).

1.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und der Auslegung des vertraglich eingeräumten Wegerechts der Beklagten besteht keine anspruchsbegründende Beeinträchtigung dieses Wegerechts. Denn der durch das Gericht befragte Sachverständige v. B. hat insoweit für das Gericht nachvollziehbar und von den Parteien nicht angegriffen festgestellt, dass neben der Naturhecke zunächst jedenfalls eine Durchfahrtsbreite von 2,10 m ohne Beschränkung der Höhe nach besteht, anschließend unter dem Vordach der Obstscheune noch ein weiterer Raum von 4,25 m der Breite nach zur Verfügung steht, der allerdings der Höhe nach auf 3,5 m beschränkt ist. Dabei kommt es für das Gericht für die Entscheidung nicht darauf an, ob die Hecke inzwischen wieder gewachsen ist oder ob sie zwischenzeitlich durch den Kläger – sei es im Anblick des laufenden Rechtsstreits – zurückgeschnitten bzw. dies veranlasst worden sein sollte. Entscheidend ist, dass es den Beklagten möglich war und weiterhin möglich ist, auf einer Breite von 3 m über das Grundstück des Klägers an der Naturhecke vorbei auf ihr Grundstück zu gelangen. Dass die Hecke zwischen der Begutachtung durch den Sachverständigen und dem Schluss der mündlichen Verhandlung ein solches Wachstum in der Breite gezeigt hätte, dass die Mindestbreite von 3 m unter Berücksichtigung des unter dem Dachüberstand gelegenen Fahrstreifens nicht mehr gewährleistet wäre, schließt das Gericht aus.

Zwar ist die Durchfahrtshöhe insoweit auf 3,5 m beschränkt. Dies beeinträchtigt aber nicht das den Beklagten vertraglich eingeräumte Wegerecht, weil dieses keine höhere Durchfahrtshöhe als die vorhandene gewährleistet. Dies folgt aus folgenden Erwägungen:

In der Vertragsurkunde haben die Parteien hinsichtlich der Höhe keine Regelung zum Umfang des Wegerechts getroffen, sondern lediglich die Breite mit 3 m festgesetzt. Danach gilt im Rahmen der ergänzenden Auslegung dasselbe, wie es bei einem Notwegerecht i. S. v. § 917 BGB gelten würde, dass nämlich die Grundstücksnutzung über die Üblichkeit und den Umfang des Wegerechts entscheidet. Hier handelt es sich um ein Wohnhaus der Beklagten, zu dem grundsätzlich kein gewerblicher oder Geschäftsverkehr stattfindet. Nach der Straßenverkehrszulassungsordnung sind ohnehin nur Fahrzeuge bis 4 m Höhe in Deutschland auf den Straßen ohne Sondergenehmigung erlaubt. Das Grundstück der Beklagten kann mit normalen Pkw angefahren werden. Auch kleinere Lkw oder Lieferfahrzeuge, seien es Kastenwagen im Rahmen der Postzustellungen oder andere Fahrzeuge dieses Umfangs, können das Grundstück der Beklagten erreichen. Ein Anspruch darauf, dass auch höhere Fahrzeuge mit einer Durchfahrtshöhe von mehr als 3,50 m das Grundstück der Beklagten auf dem Wegerechtstreifen erreichen müssten, besteht nicht. Jedenfalls bei einem Wohnhaus ist eine solche Höhe in Deutschland nicht der üblichen Nutzung geschuldet und somit auch nicht Gegenstand des durch die Parteien der Höhe nach nicht weiter konkretisierten Wegerechts. Die Beklagten müssen sich insoweit darauf verweisen lassen, dass, sollte es in den seltenen Fällen zu einer Anlieferung durch ein so hohes Fahrzeug kommen, eine andere Möglichkeit gefunden werden muss, um etwa Möbel oder Baustoffe auf das Grundstück der Beklagten zu transportieren. Auch die geringe Häufigkeit solcher hohen Transporte auf das Grundstück der Beklagten und die von ihnen insoweit angeführten Beispiele belegen aus Sicht des Gerichts, dass es sich nicht um eine grundsätzlich und regelmäßig stattfindende Anlieferung mit hohen Fahrzeugen handelt, sondern dass dies Ausnahmefälle sind, denen durch andere Gestaltung in tatsächlicher Hinsicht ausreichend Rechnung getragen werden kann. Wenn es den Beklagten so wichtig gewesen sein sollte, das Wegerecht in dieser Höhe auch zu bestellen, dann hätten sie dies bei der vertraglichen Gestaltung berücksichtigen können und müssen.

Soweit die Beklagten vortragen, dass durch abgestellte Gerätschaften oder Fahrzeuge unter dem Vordach die Durchfahrtsbreite unter 3 m beschränkt sei, ist ihr Vortrag zum einen nicht ausreichend substantiiert. Zum anderen bleiben sie den entsprechenden Beweis schuldig. Jedenfalls bei der Besichtigung durch den Sachverständigen und anhand der von diesem angefertigten Fotografien konnte eine Beeinträchtigung der Breite nach insoweit nicht festgestellt werden. Soweit der Kläger das Abstellen von Pflückkisten mit einer Breite von 2 m eingeräumt hat, wird hierdurch die bewilligte Wegerechtsbreite von 3 m nicht unterschritten.

Dem Kläger muss insoweit jedoch klar sein, dass er seinerseits verpflichtet ist, neben der Hecke jedenfalls einen 3 m breiten Streifen zur Durchfahrt zum Grundstück der Beklagten freizuhalten, der eben auch zum Teil unter seinem Vordach entlangführt. Er ist nicht berechtigt, diesen 3 m breiten Streifen durch Beeinträchtigungen unterhalb des Vordachs, etwa durch das Abstellen von Obstkisten oder Fahrzeugen, weiter einzuschränken. Sollte der Kläger dies wünschen, bleibt es ihm unbenommen, die Hecke weiter einzukürzen, um die 3 m Breite zur Durchfahrt außerhalb des Vordachs, dann aber eben auf dem Teil seines Grundstücks, der zurzeit durch die Hecke überlagert wird, zu gewährleisten.

Im Übrigen teilt das Gericht die Auffassung des Sachverständigen, dass das Wegerecht im Hinblick auf seine genaue Lage in der Vertragsurkunde sowie der beigefügten Zeichnung nicht ganz genau bestimmt ist. Denn es ist unklar, wie weit dies konkret von der Grundstücksgrenze entfernt verlaufen sollte, insbesondere, wie breit die Hecke seinerzeit war und ob dieses Wegerecht unmittelbar anschließend an die Hecke verlaufen sollte. Dies ist jedoch insoweit zur Entscheidung des Rechtsstreits unerheblich, weil den Beklagten jedenfalls durch die vorgenannte Gestaltung, nämlich das Vorbeifahren an der Hecke und dem anteiligen Fahren unter dem Vordach, eine Durchfahrtsbreite von 3 m auf dem Wegerechtstreifen gewährt ist.

2.

Der den Beklagten gemäß den §§ 1004 Abs. 1, 1018, 1027 BGB dem Grunde nach zustehende Beseitigungsanspruch im Hinblick auf den Fahnenmast ist gemäß § 242 BGB wegen Verwirkung ausgeschlossen. Zunächst ist zwischen den Parteien unstreitig, dass durch den Standort des Fahnenmastes des Klägers der Wegerechtstreifen von 3 m auf 2,80 m Breite eingeschränkt ist, was zunächst eine Beeinträchtigung des grundbuchrechtlich abgesicherten Wegerechts in Form einer Grunddienstbarkeit der Beklagten durch den Kläger bedeutet.

Allerdings ist dieser Anspruch gemäß § 242 BGB wegen Verwirkung ausgeschlossen. Es liegen sowohl das Umstandsmoment wie auch das erforderliche Zeitelement vor. Der Fahnenmast befand sich bereits die ganze Zeit an der Stelle, und zwar auch schon, als die Beklagten mit dem Kläger in Vertragsverhandlungen eingetreten sind und das Wegerecht zu ihren Gunsten vereinbart haben. Die Beklagten mussten die Gestaltung des Grundstücks, insbesondere das Vorhandensein des Fahnenmastes und dessen Standort, insoweit kennen. In der vertraglichen Urkunde bei der Notarin findet dieser jedoch keinerlei Erwähnung, ebenso wie in der beigefügten Skizze. Insbesondere ist nicht erwähnt, dass der Fahnenmast hätte beseitigt werden sollen, um das 3 m breite Wegerecht zugunsten der Beklagten herzustellen. Auch im Nachhinein haben die Beklagten – jedenfalls ist nichts Entsprechendes vorgetragen – über Jahre keine Anstrengungen dahingehend unternommen, dass der Kläger seinen Fahnenmast entfernen oder versetzen sollte, weil die Durchfahrtsbreite im Hinblick auf das Wegerecht nicht gewährleistet sein sollte. Der Kläger durfte insoweit darauf vertrauen, dass die Beklagten, die in Kenntnis des Standortes und des Vorhandenseins des Fahnenmastes den notariellen Kaufvertrag mit dem Inhalt der dort vereinbarten Wegerechte abgeschlossen hatten, den Standort des Fahnenmastes akzeptiert hatten und nicht weiter oder überhaupt auf eine Beseitigung desselben dringen würden. Auch in dem vorgerichtlichen Schriftverkehr haben die Beklagten stets nur eine Beeinträchtigung ihres Wegerechts durch die Hecke und den Dachüberstand der Obstscheune, nie aber durch den Fahnenmast des Klägers bemängelt. Insofern stellt sich ihr Verhalten, nunmehr doch die Beseitigung des Fahnenmastes zu verlangen, obwohl sie diesen jahrelang geduldet haben und durch dessen Vorhandensein jedenfalls nicht in irgendeiner dem Gericht bekanntgegebenen Weise konkret bei der Zuwegung beeinträchtigt gewesen sind, als treuwidrig im Sinne von § 242 BGB dar. Der Kläger ist insoweit schutzwürdig, dass er darauf vertrauen durfte, dass die Beklagten sich mit dem Vorhandensein und dem Standort des Fahnenmastes abgefunden hatten. Eine relevante Umstandsänderung seitdem ist nicht ersichtlich.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Das Gericht bemisst Klage und Widerklage in etwa gleich, so dass die Parteien in etwa in gleichem Umfang obsiegen und unterliegen. Insofern ist die Kostenaufhebung aus Sicht des Gerichts angemessen. Von der Vorschrift des § 96 ZPO im Hinblick auf die Einholung des Sachverständigengutachtens des Sachverständigen v. B. macht das Gericht keinen Gebrauch, weil dieses nicht im Sinne der Vorschrift ohne Erfolg geblieben ist, sondern zur Klärung des Sachverhaltes und zur Beantwortung der Streitfragen durch das Gericht insgesamt beigetragen hat.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO in Verbindung mit § 45 Abs. 1 Satz 1 GKG. Das Gericht geht mit den Parteien sowohl für die Klage wie auch für die Widerklage jeweils von einem Streitwert in Höhe von 4.000,- Euro aus, die zur Streitwertfestsetzung entsprechend zu addieren waren.

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