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Kollision Grundstücksausfahrer mit Vorfahrtsberechtigten

Ein Grundstücksausfahrer und ein vorfahrtsberechtigtes Fahrzeug kollidieren – wer trägt die Schuld? Das Landgericht Köln musste die Haftungsverteilung in diesem kniffligen Fall klären. Dabei kam ans Licht, dass die Beklagtenseite wichtige Beweise zurückhielt und so die Aufklärung erschwerte.

➔ Zum vorliegenden Urteil Az.: 13 S 43/21 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Hilfe anfordern


✔ Der Fall: Kurz und knapp

  • Der Fall betrifft eine Kollision zwischen einem Grundstücksausfahrer und einem vorfahrtsberechtigten Fahrzeug im Straßenverkehr.
  • Es gab Unklarheiten und Beweisschwierigkeiten in Bezug auf die Schuldverteilung und die Einhaltung der Verkehrsregeln.
  • Das Gericht entschied, dass die Beklagten einen erheblichen Teil des Schadens an den Kläger zahlen müssen.
  • Die Entscheidung basiert auf einem schriftlichen Gutachten des Sachverständigen. Es stellte sich heraus, dass das Urteil des vorherigen Amtsgerichts unvollständig gewesen war.
  • Die Beklagten werden zur Zahlung von Schadensersatz sowie vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verurteilt.
  • Die Kosten des Rechtsstreits werden anteilig vergeben. Die Beklagten tragen 56% der Kosten, der Kläger die restlichen 44%.
  • Die Entscheidung ist vorläufig vollstreckbar, was bedeutet, dass die Beklagten sofort zahlen müssen, auch wenn sie noch Berufung einlegen könnten.
  • Die zentrale Erkenntnis ist, dass bei Verkehrsunfällen oft unterschiedliche Schuldanteile berücksichtigt werden müssen. Eine genaue Beweisaufnahme durch Sachverständige kann entscheidend sein.
  • Dieses Urteil zeigt, dass auch Vorfahrtsberechtigte Mitschuld tragen können. Die genaue Umstände und Einhaltung der Verkehrsregeln sind entscheidend für die Schuldverteilung.

Grundstücksausfahrer vs. Vorfahrtsberechtigter: Wer trägt die Schuld?

Auch wenn die meisten Menschen glauben, dass es bei Verkehrsunfällen, bei denen ein Grundstücksausfahrer mit einem Vorfahrtsberechtigten kollidiert, meist eindeutige Schuldverhältnisse gibt, ist die rechtliche Situation oft deutlich komplexer. Die genauen Umstände desalls und die Einhaltung der Verkehrsregeln spielen eine entscheidende Rolle bei der Bestimmung der Verantwortlichkeiten. In manchen Fällen können sowohl der Grundstücksausfahrer als auch der Vorfahrtsberechtigte einen Anteil an der Schuld tragen. Um ein ganzheitliches Verständnis dieser Thematik zu vermitteln, werden in diesem Beitrag die rechtlichen Grundlagen erläutert und anhand eines konkreten Gerichtsfalls die möglichen Szenarien und Konsequenzen aufgezeigt.

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✔ Der Fall vor dem Landgericht Köln


Landgericht Köln entscheidet über Haftungsquoten nach Verkehrsunfall

In einem Berufungsverfahren hatte sich das Landgericht Köln mit der Frage der Haftungsverteilung nach einer Kollision zwischen einem Grundstücksausfahrer und einem vorfahrtsberechtigten Fahrzeug zu befassen. Der Kläger war über einen abgesenkten Bordstein in die Straße eingebogen und dort mit dem Fahrzeug der Beklagten kollidiert, welche aus einer wartepflichtigen Seitenstraße in dieselbe Straße eingebogen war.

Amtsgericht sah Alleinhaftung des Klägers – Landgericht holt Sachverständigengutachten ein

Das erstinstanzliche Amtsgericht hatte eine Alleinhaftung des klägerischen Grundstücksausfahrers angenommen. Das Landgericht holte im Berufungsverfahren ein Sachverständigengutachten zum genauen Unfallhergang ein. Demnach befuhr der Kläger mit einer Geschwindigkeit von 18-24 km/h die Straße, die Beklagte mit maximal 7 km/h. Eine Feststellung, welches Fahrzeug sich zuerst auf der Straße befand, war dem Sachverständigen jedoch nicht möglich. Dies lag insbesondere daran, dass die Beklagtenseite trotz Aufforderung keine Lichtbilder ihres Fahrzeugs zur Verfügung stellte, so dass der Anstoßbereich nicht ermittelt werden konnte.

Besondere Sorgfaltspflichten des Grundstücksausfahrers

Das Gericht stellte klar, dass den Kläger als Grundstücksausfahrer besonders hohe Sorgfaltspflichten gemäß § 10 StVO trafen. Er musste eine Gefährdung anderer ausschließen und mit Verkehrsverstößen anderer rechnen. Die Verletzung der Vorfahrt indiziert grundsätzlich sein Verschulden. Dies gilt auch gegenüber der Beklagten, die ihrerseits aus einer wartepflichtigen Seitenstraße kam. Der Vorgang des Ausfahrens dauert mit dem Erfordernis höchster Sorgfalt solange an, bis der Ausfahrende zum fließenden Verkehr gehört. Dies war beim Kläger im Kollisionszeitpunkt noch nicht der Fall.

Beweisvereitelung durch die Beklagten führt zu Haftungsquote von 30%

Allerdings bejahte das Gericht auch eine Haftung der Beklagten. Zwar habe der Kläger letztlich nicht positiv beweisen können, dass die Beklagte durch erhöhte Aufmerksamkeit die Kollision hätte vermeiden können. Jedoch vereitelte die Beklagtenseite diesen Beweis schuldhaft durch Nichtvorlage der Lichtbilder. Dies führte zu einer Beweiserleichterung für den Kläger. In der Gesamtabwägung hielt das Gericht daher eine Haftungsquote von 30% zu Lasten der Beklagten für angemessen.

✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall


Das Urteil zeigt, dass trotz der hohen Sorgfaltspflichten eines Grundstücksausfahrers nach § 10 StVO eine Mithaftung des Vorfahrtsberechtigten in Betracht kommt, wenn dieser schuldhaft die Aufklärung des Unfallhergangs vereitelt. Hier führte die Nichtvorlage entscheidender Lichtbilder durch die Beklagtenseite zu einer Beweiserleichterung für den Kläger und letztlich zu einer Haftungsquote von 30% zu Lasten des beklagten Vorfahrtsberechtigten. Das Urteil mahnt somit beide Unfallbeteiligten zu Sorgfalt und Kooperation bei der Sachverhaltsaufklärung.


✔ FAQ – Häufige Fragen

Das Thema: Haftungsverteilung bei Verkehrsunfall wirft bei vielen Lesern Fragen auf. Unsere FAQ-Sektion bietet Ihnen wertvolle Insights und Hintergrundinformationen, um Ihr Verständnis für dieses Thema zu vertiefen. Weiterhin finden Sie in der Folge einige der Rechtsgrundlagen, die für dieses Urteil wichtig waren.


Welche Sorgfaltspflichten hat ein Grundstücksausfahrer gemäß § 10 StVO?

§ 10 StVO legt einem Grundstücksausfahrer besondere Sorgfaltspflichten auf, um eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen. Wer aus einem Grundstück, einer Fläche oder einem Weg auf die Straße einfahren will, muss sich dabei so verhalten, dass eine Beeinträchtigung des fließenden Verkehrs sicher ausgeschlossen ist. Vom Ausfahrenden wird äußerste Sorgfalt gefordert.

Der Grundstücksausfahrer hat die Pflicht, die Vorfahrt der Fahrzeuge auf der Straße zu beachten und diesen das ungehinderte Weiterfahren zu ermöglichen. Er muss die Geschwindigkeit der herannahenden Fahrzeuge richtig einschätzen und darf nur dann auf die Straße einfahren, wenn er den Vorrang des fließenden Verkehrs nicht beeinträchtigt. Notfalls muss er sich einweisen lassen, wenn die Sichtverhältnisse ein gefahrloses Einfahren nicht zulassen.

Die gesteigerten Sorgfaltsanforderungen gelten so lange, bis sich das Fahrzeug vollständig in den fließenden Verkehr eingeordnet hat und keine Auswirkungen des Einfahrvorgangs mehr zu befürchten sind. Ein Beispiel: Ein Autofahrer fährt aus einer Grundstücksausfahrt auf die Straße ein und übersieht dabei ein von links kommendes, vorfahrtsberechtigtes Fahrzeug. Obwohl er schon einige Meter auf der Straße zurückgelegt hat, trifft ihn noch die erhöhte Sorgfaltspflicht aus § 10 StVO, da er den Einfahrvorgang noch nicht abgeschlossen hatte.

Kommt es im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Einfahren zu einem Unfall, spricht der Anscheinsbeweis zunächst für einen Sorgfaltspflichtverstoß des Ausfahrenden. Dieser Anscheinsbeweis kann nur durch Darlegung besonderer Umstände erschüttert werden, die eine andere Ursache des Unfalls ernsthaft möglich erscheinen lassen. Gelingt dies nicht, trifft den Ausfahrenden in der Regel die überwiegende oder sogar alleinige Haftung für den Unfall.

Die strengen Anforderungen des § 10 StVO dienen dem Schutz des fließenden Verkehrs. Sie sollen sicherstellen, dass das Einfahren in den Verkehr nicht zu einer Gefährdung anderer führt. Jeder Verkehrsteilnehmer muss sich darauf verlassen können, dass ein Grundstücksausfahrer die gebotene Sorgfalt walten lässt und ihm die ungehinderte Weiterfahrt ermöglicht.


Welche Rolle spielt die Beweissicherung nach einem Verkehrsunfall?

Die Beweissicherung nach einem Verkehrsunfall spielt eine entscheidende Rolle für die spätere Haftungsverteilung. Unmittelbar nach dem Unfall sollten daher unbedingt Maßnahmen ergriffen werden, um Beweise zu sichern. Dazu gehören insbesondere Fotos vom Unfallort und den Fahrzeugschäden. Diese dokumentieren die Endpositionen der Fahrzeuge und Spuren wie Bremsspuren oder Splitterfelder.

Auch Zeugenaussagen von unbeteiligten Personen, die den Unfall beobachtet haben, sind sehr wertvoll. Namen und Kontaktdaten sollten notiert werden, damit sie später befragt werden können. Zeugen können oft wichtige Angaben zum Unfallhergang machen, etwa zur Fahrweise und Geschwindigkeit der Beteiligten.

Bei schweren Unfällen mit hohem Sachschaden oder Personenschäden ist zudem ein Sachverständigengutachten unverzichtbar. Der Gutachter sichert alle Spuren und erstellt eine detaillierte Unfallrekonstruktion. Sein Gutachten ist meist ausschlaggebend für die Bewertung der Haftungsanteile durch Versicherungen oder Gerichte.

Kommt es beispielsweise zu einer Kollision zwischen einem aus einer Grundstücksausfahrt einbiegenden Fahrzeug und einem vorfahrtsberechtigten Fahrzeug auf der Straße, ist die Schuldfrage nicht immer eindeutig. Zwar hat der Vorfahrtsberechtigte grundsätzlich Vorrang. Jedoch kann ihm eine Mithaftung angelastet werden, wenn er etwa viel zu schnell fuhr und so den Unfall mit verursachte.

Anhand der gesicherten Beweise lässt sich der Unfallhergang nachvollziehen. Bremsspuren geben Aufschluss über Geschwindigkeiten und Reaktionen. Die Schäden an den Fahrzeugen zeigen die Kollisionsstellung. Zeugen können die Fahrweise vor dem Unfall beschreiben. Nur so kann das Gericht eine gerechte Haftungsverteilung vornehmen.

Versäumt man die Beweissicherung oder informiert Zeugen nicht, dass sie benötigt werden, stehen vor Gericht oft Aussage gegen Aussage. Dann kann selbst ein Anwalt die berechtigten Ansprüche kaum noch durchsetzen. Die Beweislast liegt nämlich bei demjenigen, der Ansprüche geltend macht. Daher ist die Beweissicherung so wichtig und muss unverzüglich erfolgen, solange die Spuren noch vorhanden sind.


In welchen Fällen kann eine Beweisvereitelung die Haftung beeinflussen?

Eine Beweisvereitelung kann die Haftungsverteilung bei Verkehrsunfällen, insbesondere bei Kollisionen zwischen Grundstücksausfahrern und Vorfahrtsberechtigten, erheblich beeinflussen. Von einer Beweisvereitelung spricht man, wenn eine Partei der anderen Partei die Beweisführung schuldhaft unmöglich macht oder erschwert, indem sie beispielsweise vorhandene Beweismittel vernichtet, vorenthält oder deren Benutzung erschwert.

Grundsätzlich führt eine Beweisvereitelung nicht zu einer generellen Umkehr der Beweislast zulasten der vereitelnd handelnden Partei. Allerdings können dem Gericht nach der Rechtsprechung des BGH im Rahmen der Beweiswürdigung gemäß § 286 ZPO Beweiserleichterungen bis hin zu einer Beweislastumkehr zugunsten der beweisbelasteten Partei zustehen. Das Gericht hat dabei alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen und abzuwägen.

Ein anschauliches Beispiel ist die Unfallflucht. Entfernt sich der Unfallgegner unerlaubt vom Unfallort und macht dadurch die Feststellung des genauen Unfallhergangs unmöglich, kann dies bei der Beweiswürdigung zu seinen Lasten gehen. Das Gericht kann dann eher davon ausgehen, dass der Flüchtige den Unfall verursacht hat.

Auch die Beseitigung von Unfallspuren oder die Verweigerung der Herausgabe eines Schadensgutachtens können eine Beweisvereitelung darstellen. Vereitelt ein Grundstücksausfahrer durch solches Verhalten dem Vorfahrtsberechtigten die Möglichkeit zu beweisen, dass ihn kein Verschulden am Unfall trifft, kann das Gericht dies im Rahmen der Haftungsabwägung nach § 17 StVG zugunsten des Vorfahrtsberechtigten berücksichtigen.

Allerdings rechtfertigt nicht jedes beweisvereitelnde Verhalten eine Beweislastumkehr. Der BGH stellt klar, dass eine Beweisvereitelung nicht dazu führt, dass eine Beweiserhebung gänzlich unterbleiben kann und der Vortrag der beweisbelasteten Partei automatisch als bewiesen anzusehen ist. Vielmehr muss das Gericht weiterhin alle Beweise würdigen und dabei eben auch die Beweisvereitelung mit einbeziehen.


Wie wird die Haftungsverteilung bei Unfällen im Straßenverkehr grundsätzlich bestimmt?

Die Haftungsverteilung bei Verkehrsunfällen richtet sich grundsätzlich nach dem Verschuldensprinzip. Maßgeblich ist, wer die Verkehrsregeln missachtet und dadurch den Unfall verursacht hat. Derjenige, der gegen die Straßenverkehrsordnung (StVO) verstoßen hat, trägt in der Regel die Hauptschuld. Haben beide Unfallbeteiligte Fehler gemacht, wird die Haftung anteilig verteilt.

Ein wichtiges Kriterium ist die Vorfahrt. Wer die Vorfahrt eines anderen missachtet, haftet meist überwiegend oder vollständig für den Unfall. Dies gilt beispielsweise, wenn ein Fahrzeug aus einer untergeordneten Straße oder Grundstücksausfahrt kommt und die Vorfahrt eines auf der übergeordneten Straße fahrenden Fahrzeugs nicht beachtet. Der Wartepflichtige muss dann für den Großteil des Schadens aufkommen.

Allerdings kann auch der Vorfahrtsberechtigte eine Mitschuld tragen, wenn er ebenfalls Sorgfaltspflichten verletzt hat. Fährt er etwa mit überhöhter Geschwindigkeit oder übersieht erkennbar, dass der andere die Vorfahrt nicht beachten wird, kann ihm ein Mitverschulden angelastet werden. Die Haftungsquote des Wartepflichtigen verringert sich dann entsprechend.

Neben Vorfahrtsverstößen spielen auch andere Faktoren eine Rolle, etwa Fehler beim Abbiegen, Überholen, Wenden oder Rückwärtsfahren sowie Alkohol am Steuer. Je schwerwiegender der Verstoß und je größer der Beitrag zur Unfallentstehung, desto höher fällt die Haftungsquote aus.

Kommt es beispielsweise zu einer Kollision zwischen einem aus einer Grundstücksausfahrt einbiegenden Fahrzeug und einem vorfahrtsberechtigten Fahrzeug auf der Straße, trifft den Wartepflichtigen regelmäßig ein überwiegendes Verschulden von 70-100%. Nur wenn der Vorfahrtsberechtigte die Kollision durch angepasste Fahrweise hätte vermeiden können, ist eine Mithaftung von bis zu 30% möglich.

Neben dem Verschulden fließt auch die Betriebsgefahr der beteiligten Fahrzeuge in die Abwägung ein. Grundsätzlich wird die Betriebsgefahr bei Kollisionen zwischen Kfz aber als gleich hoch angesehen und beeinflusst die Haftungsverteilung nicht.

Letztlich kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Anhand von Zeugenaussagen, Sachverständigengutachten und gesicherten Unfallspuren müssen die Gerichte den Hergang rekonstruieren und die jeweiligen Verursachungsbeiträge bewerten. Nur so kann eine gerechte Haftungsverteilung erreicht werden.


Welche rechtlichen Schritte sollten nach einem Unfall unternommen werden?

Nach einem Unfall mit einem Vorfahrtsberechtigten beim Ausfahren aus einem Grundstück sollten folgende rechtliche Schritte unternommen werden, um die eigenen Interessen bestmöglich zu wahren:

Zunächst ist es wichtig, Ruhe zu bewahren und die Unfallstelle abzusichern. Dazu gehört, die Warnblinkanlage einzuschalten, eine Warnweste überzuziehen und ein Warndreieck in ausreichendem Abstand aufzustellen. Sind Personen verletzt, muss umgehend der Notruf gewählt und Erste Hilfe geleistet werden.

Im nächsten Schritt sollten Beweise gesichert werden. Dazu zählt, Fotos von der Unfallstelle, den Fahrzeugen und etwaigen Spuren wie Bremsspuren oder Glassplittern zu machen. Auch die Personalien möglicher Zeugen sollten notiert werden. Diese Informationen können später sehr wertvoll sein, um den Unfallhergang zu rekonstruieren.

Grundsätzlich empfiehlt es sich, die Polizei zu rufen, auch wenn auf den ersten Blick nur ein Bagatellschaden vorliegt. Die Beamten nehmen den Unfall auf, befragen Zeugen und fertigen einen Unfallbericht an. Dieser kann wichtige Anhaltspunkte für die Schuldfrage liefern. Zudem verhindert die Einschaltung der Polizei, dass der Unfallgegner später eine andere Version des Geschehens präsentiert.

Beim Gespräch mit dem Unfallgegner ist Vorsicht geboten. Keinesfalls sollte ein Schuldanerkenntnis abgegeben werden, auch nicht aus Höflichkeit oder um die Situation zu entschärfen. Besser ist es, sich auf die Feststellung der Fakten zu beschränken und zusammen einen Unfallbericht auszufüllen. Gibt es unterschiedliche Sichtweisen, sollte man die Meinung des anderen nicht unkommentiert stehen lassen, sondern das eigene Erlebte sachlich schildern.

Der Unfall muss unverzüglich der eigenen Kfz-Haftpflichtversicherung gemeldet werden. Viele Versicherer stellen dafür ein Online-Formular zur Verfügung. Wurde das gegnerische Fahrzeug beschädigt, informiert man am besten auch dessen Versicherung. Kennt man diese nicht, kann man sich die Daten über den Zentralruf der Autoversicherer besorgen.

Bestehen Zweifel an der Schuldfrage oder ist der Schaden beträchtlich, sollte ein unabhängiger Kfz-Sachverständiger mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt werden. Dieser kann anhand der Unfallspuren die Geschehnisse oft detailliert nachvollziehen. Sein Gutachten ist wichtig für die Schadensregulierung mit der gegnerischen Versicherung.

Besondere Vorsicht ist geboten, wenn der Vorfahrtsberechtigte den Unfall allein verursacht haben will. Dann muss der Ausfahrende beweisen, dass er unverschuldet in den Unfall verwickelt wurde. Das ist schwierig, wenn es keine Zeugen gibt. Umso wichtiger ist die akribische Dokumentation der Unfallspuren. Lässt sich eine Geschwindigkeitsüberschreitung oder ein anderer Verstoß des Vorfahrtsberechtigten nachweisen, kann dies die Haftung des Ausfahrenden zumindest mindern.

Fazit: Umsichtiges und besonnenes Handeln direkt nach dem Unfall ist entscheidend, um später keine rechtlichen Nachteile zu erleiden. Deshalb ist es so wichtig, Ruhe zu bewahren, Beweise zu sichern und sich nicht zu unüberlegten Äußerungen hinreißen zu lassen. Im Zweifel sollte man rechtlichen Beistand einholen, um die Interessen professionell durchzusetzen.


§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils


  • § 7 Abs. 1 StVG (Straßenverkehrsgesetz): Dieser Paragraph regelt die Haftung des Fahrzeughalters für Schäden, die beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs entstehen. Im vorliegenden Fall wird der Halter des Fahrzeugs, das den Unfall verursacht hat, haftbar gemacht.
  • § 17 StVG (Straßenverkehrsgesetz): Dieser Paragraph bestimmt die Haftungsverteilung bei Unfällen. Er sieht vor, dass die Haftungsverteilung nach den Verursachungsbeiträgen der Beteiligten erfolgt. Das Gericht legt hier eine Haftungsquote fest.
  • § 115 VVG (Versicherungsvertragsgesetz): Dieser Paragraph regelt die Direktansprüche gegen die Haftpflichtversicherung des Schädigers. Der Kläger kann hier direkt Ansprüche gegen die Versicherung der Beklagten geltend machen, da das Fahrzeug der Beklagten haftpflichtversichert ist.
  • §§ 249 ff. BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Diese Paragraphen regeln den Umfang des Schadensersatzes. Insbesondere geht es darum, dass der Geschädigte so zu stellen ist, wie er ohne das schädigende Ereignis stehen würde. Das Gericht spricht dem Kläger auf dieser Basis eine Entschädigung zu.
  • § 540 ZPO (Zivilprozessordnung): Dieser Paragraph regelt die Anforderungen an Berufungsurteile und die Bezugnahme auf die Feststellungen der Vorinstanz. Das Urteil stützt sich auf die Tatsachenfeststellungen des erstinstanzlichen Urteils unter Berücksichtigung neuer Beweiserhebungen.
  • § 529 Abs. 1 ZPO (Zivilprozessordnung): Dieser Paragraph legt fest, dass das Berufungsgericht an die Tatsachenfeststellungen der ersten Instanz gebunden ist, sofern diese nicht durch neue Beweise widerlegt werden. Hier war die Tatsachengrundlage der ersten Instanz unvollständig, was zur neuen Beweiserhebung führte.
  • § 538 Abs. 1 ZPO (Zivilprozessordnung): Dieser Paragraph gibt dem Berufungsgericht die Möglichkeit, selbst Beweis zu erheben und das Urteil aufgrund neuer Tatsachen und Erkenntnisse abzuändern. Das Berufungsgericht hat hier ein Sachverständigengutachten eingeholt und das Urteil entsprechend geändert.
  • § 542 ZPO (Zivilprozessordnung): Regelt den Anwendungsbereich der Berufung in Zivilsachen. Die Einlegung der Berufung war zulässig und führte zur teilweisen Änderung des erstinstanzlichen Urteils.


⇓ Das vorliegende Urteil vom Landgericht Köln

LG Köln – Az.: 13 S 43/21 – Urteil vom 04.01.2023

Das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 23.03.2021, 107 C 55/20, wird teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten zu1) und 3) werden verurteilt, an den Kläger 1.172,98 EUR zu bezahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.01.2020 sowie vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 201,71 EUR. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner zu 56%, im Übrigen der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Von der Darstellung des Berufungsvorbringens wird gemäß den §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1, 542, 544 Abs. 2 ZPO abgesehen.

Das Gericht hat im Berufungsverfahren Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens gemäß Beweisbeschluss vom 10.02.2022. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird verwiesen auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dr. T. vom 01.10.2022, Bl. 223 der e-Akte.

II.

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet.

Dem Urteil lag ein zu berücksichtigender Sach- und Rechtsmangel zu Grunde. Die Tatsachengrundlage des Amtsgerichts war unvollständig i. S. d. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Nach Erhebung der notwendigen Beweise i. S. d. § 538 Abs. 1 ZPO war das Urteil abzuändern.

Dem Kläger steht ein Anspruch aus §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 2, 1 StVG i. V. m. §§ 249 ff. BGB, hinsichtlich der Beklagten zu 3) i. V. m. § 115 VVG, auf Erstattung der Kosten aus dem Unfallgeschehen am 03.03.2020 mit einer Haftungsquote von 30% zu.

Das Fahrzeug des Klägers wurde bei einem Unfallereignis durch die Beklagte zu 1), die bei der Beklagten zu 3) haftpflichtversichert ist, geschädigt. Ein unabwendbares Ereignis i. S. d. § 17 Abs. 3 StVG lag für keine der Parteien vor. Das Verhältnis der Verursachungsbeiträge zueinander ergab nach durchgeführter Beweisaufnahme eine anzunehmen Haftungsquote der Beklagtenseite in Höhe von 30%. Im Einzelnen:

1.

Die Kollision der beiden Fahrzeuge des Klägers und der Beklagten zu 1) ist zwischen den Parteien unstreitig. Ein unabwendbares Ereignis zu seinen Gunsten hat der Kläger insoweit nicht geltend gemacht, als er hier lediglich eine Haftungsquote von 50% einfordert.

2.

Das Gericht folgt hinsichtlich des genauen Hergangs des Unfalls, soweit nachstehend wiedergegeben, den Feststellungen des Sachverständigen Dr. T. .

a. Nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. T. ist der Kläger über einen abgesenkten Bordstein in die G.-straße eingebogen. Es sei nicht denkbar, dass der Kläger nicht über den abgesenkten Bordstein in die G.-straße eingefahren ist. Eine andere Möglichkeit sei auszuschließen.

Die Beklagte zu 1) hatte nach den Ausführungen des Sachverständigen gute Sicht bei Einfahrt über die K.-straße , der Kläger beschränkte Sicht. Auch konnte der Sachverständige klar und nachvollziehbar darlegen, dass sich die Beklagte im Zeitpunkt der Kollision mit einer Geschwindigkeit von maximal 7 km/h bewegte, der Kläger mit einer höheren Geschwindigkeit, wohl 18 – 24 km/h.

Ob und wenn ja welches von beiden Fahrzeugen sich zuerst auf der G.-straße befunden hat, konnte der Sachverständige nicht ermitteln. Ob die Beklagte zu 1) im Zeitpunkt der Kollision mit ihrem Fahrzeug bereits zum Stehen gekommen war, konnte der Sachverständige ebenfalls nicht ermitteln. Insbesondere konnte der Sachverständige aber nicht ermitteln, ob die Beklagte zu 1) bei Beginn des Abbiegevorgangs des Klägers noch nicht angefahren war. Wohl konnte er jedoch angeben, dass wenn dies der Fall gewesen wäre, die Beklagte zu 1) den Unfall hätte verhindern können. Gleichermaßen ließ sich nicht feststellen, dass die Beklagte zu 1) bereits abgebogen gewesen wäre, als der Kläger seinen Abbiegevorgang einleitete. Dies unterstellt, hätte indes der Kläger den Unfall vermeiden können.

Ursache der Nichtermittelbarkeit sei die fehlende Vorlage von Lichtbildern des geschädigten Pkw der Beklagten zu 1) durch die Beklagtenseite. Die Beklagte hat trotz mehrfacher Aufforderung durch den Sachverständigen und Setzens einer Ausschlussfrist durch das Gericht Fotos vom Fahrzeug nicht vorgelegt. Der Sachverständige war darum durch das Gericht um Angabe gebeten worden, welche Feststellungen ihm aus diesem Grund nicht möglich waren. Nachvollziehbar hat der Sachverständige erläutert, dass er aufgrund der fehlenden Bilder den Anstoßbereich am Beklagtenfahrzeug nicht ermitteln konnte (entweder vorderer Eck- und Flankenbereich links oder Bereich des linken Vorderrads). Hinsichtlich der Kollisionsgeschwindigkeiten sei lediglich eine Schätzung möglich. Ob das Fahrzeug der Beklagten zu 1) bereits gestanden habe, könne nicht festgestellt werden; das Fahrzeug der Beklagten zu 1) sei jedenfalls langsamer als das des Klägers gewesen, s.o.. Auf S. 24 des Gutachtens führt der Sachverständige sodann abschließend aus, dass es aus technischer Sicht anhand der auswertbaren Spurenlage denkbar sei, dass der Kläger zuerst in die G.-straße eingebogen ist und die Beklagte zu 1) damit durch ein Zuwarten die Kollision hätte vermeiden können, stattdessen aber die Beklagte zu 1) ohne anzuhalten abgebogen sei, während der Kläger zunächst angehalten habe. Das Gegenteil sei aber genauso denkbar.

b. Die vorstehend wiedergegebenen gutachterlichen Feststellungen konnte das Gericht der Entscheidung uneingeschränkt zugrunde legen. Der Sachverständige Dr. T. ist für Begutachtung hinreichend qualifiziert. Er hat seine schriftlichen Feststellungen nachvollziehbar und überzeugend zu begründen vermocht, wobei er die Grundlagen seiner Feststellungen kenntlich gemacht hat. Er hat verdeutlicht, aus welchem Grund die vorhandenen Anknüpfungstatsachen zu den gefundenen Ergebnissen geführt haben. Er hat ferner nachvollziehbar und plausibel deutlich gemacht, welche Feststellungen aufgrund des Fehlens welcher Unterlagen ihm nicht möglich waren.

3. Die rechtliche Würdigung der vorstehenden Feststellungen führt zu einer Haftungsquote der Beklagtenseite von 30%.

a. Dem Kläger oblag aufgrund seiner Näherung über den abgesenkten Bordstein eine besonders hohe Sorgfaltspflicht. § 10 Satz 1 StVO legt dem aus einem Grundstück auf die Straße einfahrenden Fahrzeugführer in Hinblick auf das Vorfahrtsrecht der auf der Straße fahrenden Fahrzeuge gesteigerte Pflichten auf. Zutreffend hat weiter das Amtsgericht ausgeführt, dass angesichts der von § 10 StVO aufgestellten hohen Anforderungen an denjenigen, der aus einem Grundstück ausfährt (er muss eine Gefährdung anderer „ausschließen“), grundsätzlich zu dessen Alleinhaftung führt, sofern nur die einfache Betriebsgefahr des Gegners entgegensteht (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 20.10.2005 – 27 U 37/05 -, NZV 2006, 204 m. w. N.; Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 16. Aufl. 2020, Rn. 70). Die Verletzung des Vorfahrtsrechts durch den in die Straße Einfahrenden indiziert grundsätzlich sein Verschulden (vgl. BGH, Urteil vom 20.09.2011 – VI ZR 282/10 -, BeckRS 2011, 24668 m.w.N.; GVR/Stefan Bachmor/Matthias Quarch, 3. Aufl. 2021, StVO § 10 Rn. 4-6a).

Die Sorgfaltsanforderungen des § 10 StVO gelten dabei entgegen des Vorbringens des Klägers in der Berufungsbegründung auch gegenüber der Beklagten zu 1), die aus einer wartepflichtigen Seitenstraße erst in die Straße eingebogen ist, in die auch der Kläger hineingefahren ist (vgl. OLG München, Endurteil vom 18.05.2018 – 10 U 3516/17 -, BeckRS 2018, 20377).

Die Beklagte zu 1 befand sich nicht selbst auf einem anderen Straßenteil i. S. v. § 10 StVO. Ein „anderer Straßenteil“, von dem ein Fahrzeug ein- oder anfährt, ist dadurch gekennzeichnet, dass dieser Straßenteil – ähnlich einer Fußgängerzone oder einer Einfahrt, die über einen abgesenkten Bordstein erreicht wird – nicht dem fließenden Durchgangsverkehr dient (OLG Karlsruhe, Urt. v. 24. 6. 2015 – 9 U 18/14, Rn. 20, zitiert nach juris).

Entgegen der Berufung und auch des erstinstanzlichen Vorbringens kann Kläger dabei nicht mit dem Einwand durchdringen, er habe den Abbiegevorgang im Zeitpunkt der Kollision bereits eingeleitet und habe sich bereits auf der G.-straße befunden – ungeachtet der Frage, ob dies tatsächlich zutrifft. Der Vorgang des Ausfahrens aus einem Grundstück auf die Fahrbahn dauert mit dem Erfordernis der höchsten Sorgfaltsstufe für den Fahrer nämlich solange an, bis er in zügiger Fahrt selbst zum fließenden Verkehr gehört oder sein Fahrzeug verkehrsgerecht am Fahrbahnrand oder an anderer Stelle abgestellt hat (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 02.01.2012 – 5 U 161/11 -, NVZ 2012, 540 m.w.N.; LG Hamburg Urt. v. 9.3.2018 – 319 O 91/17, BeckRS 2018, 5735, Rn. 16: „Der Eingliederungsvorgang ist erst beendet, wenn sich das Fahrzeug endgültig im fließenden Verkehr eingeordnet hat.“). Dies kann bereits nach den Angaben des Klägers in seiner persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 25.02.2021 nicht angenommen werden. Der Kläger hat dabei angegeben, dass die Fotografie auf Bl. 41 GA der Endposition entspricht. Hierauf und auf der seitens des Klägers erstellten Zeichnung (Bl. 97 GA) ist jedoch zu erkennen, dass das klägerische Fahrzeug sich noch nicht auf der G.-straße eingeordnet hatte, sondern quer auf der Straße stand. Da es daher auch unter Zugrundelegung des Beklagtenvortrags im unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit dem Ein- und Ausfahren zu einer Kollision mit dem fließenden Verkehr gekommen ist, spräche der Beweis des ersten Anscheins grundsätzlich auch bei unterstellter Ersteinfahrt des Klägers in die G.-straße für ein Verschulden des Ein- bzw. Ausfahrenden, hier des Klägers.

b. Als nicht zutreffend erachtet die Kammer jedoch die Annahme des Amtsgerichts, sämtliche eventuellen Verstöße der Beklagten zu 1) müssten hinter dem Verhalten des Klägers zurückstehen.

Zwar muss dabei der Einfahrende grundsätzlich auch mit Verkehrsverstößen der anderen Verkehrsteilnehmer im fließenden Verkehr rechnen. Ein Fehlverhalten des Verkehrsteilnehmers im fließenden Verkehr kann aber zu dessen Mithaftung (zumindest in Höhe der normalen Betriebsgefahr) führen (vgl. Grüneberg, a.a.O., Rn. 72). Dies gilt insbesondere dann, wenn der Vorfahrtsberechtigte bei gebotener Sorgfalt den Wartepflichtigen wahrgenommen hätte und so die Kollision zumindest hätte vermeiden können (OLG Celle NZV 2018, 189. (Haftungsquote 50/50); NK-GVR/Stefan Bachmor/Matthias Quarch, 3. Aufl. 2021, StVO § 10 Rn. 6a).

Das Gericht hatte daher jedenfalls Beweis darüber zu erheben, ob der Beklagten zu 1) ein solches Fehlverhalten zur Last fällt – wie auch von Klägerseite bereits erstinstanzlich geltend gemacht.

c. Nach Einholung des Sachverständigengutachtens ließ sich eine derartige Feststellung jedoch nicht treffen, s. o. . Gleichwohl sah sich die Kammer veranlasst, eine Haftungsquote zu Lasten der Beklagten zu 30% anzunehmen.

Obgleich dem Kläger, der eigentlich die Beweislast für ein etwaiges Mitverschulden der Beklagten zu 1) trüge, damit seiner Beweislast nicht nachgekommen ist, kommt ihm wiederum eine Beweiserleichterung zu Gute, weil die Beklagte zu 1) schuldhaft seine Beweisführung vereitelt hat. Diese Unaufklärbarkeit geht zu Lasten der Beklagten.

Von einer Beweisvereitelung kann (nur) gesprochen werden, wenn die nicht beweisbelastete Partei dem beweisbelasteten Gegner die Beweisführung schuldhaft unmöglich macht oder erschwert, indem sie vorhandene Beweismittel vernichtet, vorenthält oder ihre Benutzung erschwert (BGH, Urteil vom 16.11.2021 – VI ZR 100/20, NJW 2022, 539, Rn. 12). Die Beklagten haben die Beweisführung dadurch vereitelt, dass sie – wie unter Ziffer 2 dargelegt – Lichtbilder des geschädigten Fahrzeugs des Pkw der Beklagten zu 1) nicht vorgelegt hat, was dazu geführt hat, dass dem Sachverständigen die Feststellung, ob die Beklagte zu 1) den Zusammenstoß durch erhöhte Achtsamkeit hätte vermeiden können, nicht möglich war.

Die Beweisvereitelung führt zwar nicht dazu, dass eine Beweiserhebung gänzlich unterbleiben könnte und der Vortrag der beweisbelasteten Partei als bewiesen anzusehen wäre. Liegen die Voraussetzungen einer Beweisvereitelung durch den Gegner der beweisbelasteten Partei vor, können jedoch zugunsten der beweisbelasteten Partei Beweiserleichterungen in Betracht kommen, die unter Umständen bis zur Umkehr der Beweislast gehen können (BGH Urteil vom 16.11.2021 – VI ZR 100/20, NJW 2022, 539). Hier führt die Beweisvereitelung jedenfalls dazu, dass sich die Beklagte zu 1) gegenüber dem Kläger nicht auf den Anscheinsbeweis berufen kann (vgl. BGH NJW 1998, 79 (81)). Diese aus dem Institut der Beweisvereitelung folgende Sanktion hindert aber nicht die umfassende Würdigung aller Indizien und sonstigen Umstände der Lebenserfahrung im Rahmen einer Gesamtabwägung (MüKoZPO/Prütting, 6. Aufl. 2020, ZPO § 286 Rn. 67).

3.

Von einem (Allein-)Verschulden des Klägers konnte das Gericht aufgrund der vorstehenden Ausführungen nicht ohne weiteres ausgehen. Auszugehen war – die unter Ziffer 2 dargelegten Feststellungen zu Grunde gelegt – von einer grundsätzlich ausgeglichenen Haftungsquote, bei der die Parteien die von ihnen geltend gemachten Verkehrsverstöße bzw. das Verschulden des jeweils anderen positiv belegen müssen. In rechtlicher Hinsicht führt der vorgeschilderte Unfallhergang bei angenommener Beweiserleichterung zu Gunsten des Klägers zu der Haftungsquote von 30%, ein unabwendbares Ereignis kann für keine der Parteien angenommen werden.

aa. Zutreffend hat das Amtsgericht einen Verstoß der Beklagten zu 1) gegen § 8 Abs. 1 StVO abgelehnt. Denn der Kläger als Grundstücksausfahrer war gegenüber der Beklagten zu 1) gerade nicht vorfahrtsberechtigt.

bb. Dass der Beklagten zu 1) tatsächlich ein Verstoß gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot gemäß § 1 Abs. 2 StVO anzulasten ist, konnte der Kläger nicht positiv belegen. Eine vollständige Beweislastumkehr findet nicht statt (s.o.).

cc. Eine Geschwindigkeitsübertretung oder sonstiges Fehlverhalten der Beklagten zu 1) konnte der Kläger nicht belegen.

dd. Von einem Verstoß des Klägers gegen die hohen Sorgfaltsanforderungen des § 10 StVO ist hingegen auszugehen. Der Kläger musste sich so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Dies war hier angesichts der Kollision mit der Beklagten zu 1), die gegenüber dem Kläger vorfahrtsberechtigt war, nicht der Fall.

ee. In der Gesamtabwägung kann – wenn man den Anscheinsbeweis zu Lasten des Klägers hinwegdenkt – eine Haftungsverteilung nach der jeweiligen Betriebsgefahr unter Berücksichtigung der Verursachungsbeiträge zu erfolgen. Die Kammer erachtet es dabei unter Berücksichtigung aller Umstände im Einzelfall als angemessen, den Haftungsanteil der Beklagten zu 1) nicht in Höhe der geforderten 50%, sondern allein mit 30% anzunehmen.Hierbei hat die Kammer den Verstoß des Klägers berücksichtigt sowie den Umstand, dass der Sorgfaltspflicht nach § 10 StVO gleichwohl ein besonderes Gewicht beizumessen ist. Die Beklagte zu 1) muss sich die allgemeine Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs entgegenhalten lassen.

e. Keine der Parteien kann sich auf ein unabwendbares Ereignis i. S. v. § 17 Abs. 3 StVG berufen. Dem Kläger ist ein positiver Beweis nicht gelungen.

Nach § 17 Abs. 3 S. 2 StVG gilt ein Ereignis nur dann als unabwendbar, wenn sowohl der Halter als auch der Führer des Fahrzeugs jede nach den Umständen des Falls gebotene Sorgfalt beobachtet hat. Ein unabwendbares Ereignis liegt nur dann vor, wenn der Unfall auch bei der äußersten möglichen Sorgfalt nicht abgewendet werden konnte. Dies erfordert ein sachgemäßes, geistesgegenwärtige Handeln über den gewöhnlichen und persönlichen Maßstab hinaus und damit das Verhalten eines Idealfahrers (König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl., § 17 StVG Rn. 22). Insbesondere ist ein unabwendbares Ereignis zu verneinen, wenn ein besonders umsichtiger Fahrer die Gefahr noch abgewandt oder jedenfalls einen weniger schweren Unfall verursacht hätte (BGH, NJW 1982, Seite 1149; OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 15.4.2014 – 16 U 213/13, NJOZ 2015, 169 f.; Rn. 26). Den Beweis, dass ein solches Ereignis für ihn vorliege, hat der Kläger nicht geführt. Gleiches gilt für die Beklagte. An dieser Stelle ist die Frage der Beweisvereitelung insoweit nicht entscheidend, da die Beklagten den fehlenden Beweis diesbezüglich zu ihren Gunsten nicht führen konnten.

4 . Bei der Haftungshöhe sind Reparaturkosten in Höhe von 3.185,73 EUR zu Grunde zu legen sowie Gutachterkosten in Höhe von 724,23 EUR, wovon die Beklagten zu 1) und zu 3) 30% zu tragen haben.

a. Der Kläger kann dem Grunde nach zunächst die volle Höhe der fiktiven Reparaturkosten geltend machen. Der Vortrag der Beklagten (sinngemäß) dahingehend, dass aufgrund eines Totalschadens der Kläger die vollen Reparaturkosten nicht – wie hier geltend gemacht – fiktiv abrechnen könne, geht dabei fehl. Auch nach Vortrag der Beklagtenseite läge ein Totalschaden (Reparaturkosten mehr als 130% des Wiederbeschaffungswerts) schon gar nicht vor, wenn man den höheren Restwert in Höhe von 1.450 EUR zu Grunde legen würde; den Wiederbeschaffungswert übersteigen die Reparaturkosten nicht. Mit Erfolg wendet auch der Kläger ein, dass das vorgelegte Angebot (dessen Bindungswirkung auch bei Klageerhebung bereits abgelaufen war) der Beklagten als nicht regionales Angebot für die Restwertermittlung nicht zu berücksichtigen ist. Macht der Versicherer geltend, der Geschädigte könne am regionalen Markt ein höheres Angebot erzielen, liegt die Darlegungs- und Beweislast bei ihm (vgl. BGH, U. v. 12.07.2005, VI ZR 132/04, r + s 2005, 482). Der Geschädigte muss sich dabei nicht auf solche Angebote verweisen lassen, die einem sog. Sondermarkt (z. B. Internet) entstammen und für den Geschädigten nicht ohne weiteren Aufwand realisieren lässt. Das Angebot der Beklagten ist ein Online-Angebot aus dem Bereich 76307 Karlsbad. Die Bindungswirkung des Angebots bis zum 09.04.2020 war bei Klageerhebung bereits abgelaufen.

b. Sehr wohl aber hat sich der Kläger auf die günstigere freie Werkstatt zu verweisen lassen, wie von den Beklagten geltend gemacht. Ein solcher Verweis ist für den Kläger nicht unzumutbar. Die Beklagten haben substantiiert dargelegt, dass die Reparatur in der von ihnen angegebenen Werkstatt günstiger ist. Die Entfernung von 21 km zum Wohnort des Klägers ist dabei hinzunehmen, da zum einen die Beklagten dargelegt haben, dass die angegeben Werkstatt in R. über einen kostenlosen Hol- und Bringservice verfügt; ferner hat auch der Kläger gar nicht geltend gemacht, dass er die Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt, die näher an seinem Wohnort läge, durchführen könnte (wie BGH, Urteil vom 23. Februar 2010, VI ZR 91/09, Rn. 12, juris). Die seitens des Sachverständigen angegeben Werkstatt Autolackierung I. befindet sich in P. , der Wohnort des Klägers in D. , der Unfallort ebenfalls in D. .

Die Qualifikation der seitens der Beklagten angegebenen Werkstatt steht trotz des Bestreitens des Klägers nicht in Frage. Die Beklagten haben angegeben, dass die von ihnen ausgewählte Karosserie L. & Co. GmbH über eine Eurogarantzertifizierung verfügt, was grundsätzlich ausreichend ist (vgl. BGH, Urteil vom 13. 7. 2010 – VI ZR 259/09, DS 2011, 73). Soweit der Kläger die Qualifizierung in Abrede stellt, erscheint dies als Bestreiten ins Blaue hinein. Ebenso dringt der Kläger nicht durch mit dem Einwand, die Beklagte lege ein Angebot vor, das Sonderkonditionen zu Grunde lege. Auf diese müsste sich der Kläger nicht verweisen lassen; für solche gibt es jedoch auch keine Anhaltspunkte.

c. Die Gutachterkosten erweisen sich als lediglich teilweise erstattungsfähig, nämlich in Höhe von 724,23 EUR, wovon die Beklagten 30% zu tragen habe. Eine Beweiserhebung war nicht erforderlich, da die Kammer die zu erstattenden Kosten der Höhe nach gem. § 287 ZPO schätzen konnte. Grundsätzlich stellt die eingereichte Rechnung des Sachverständigen ein Indiz für die Angemessenheit der Kosten dar. Widerlegt der Verpflichtete dieses Indiz durch geeigneten Sachvortrag, bleibt Raum für eine Schätzung nach § 287 ZPO (umfassend OLG Düsseldorf Urt. v. 17.9.2019 – 1 U 84/19, BeckRS 2019, 44915 m. w. Nw.). Als Schätzgrundlagen hat sich die Kammer an den Wertungen des § 12 JVEG orientiert sowie den Angaben im Rahmen der Mitgliederbefragung des BVSK. Danach ergeben sich folgende erstattungsfähige Kosten:

Fahrtkosten 50 km zu je 70 Cent; 35,00 EUR

Schreibgebühren 12 Seiten à 1,80 = 21,60 EUR

Fotokosten 20 x 2 EUR = 40,00 EUR

Kopien 24 x 0,50 EUR = 12,00 EUR

Pauschale = 15,00 EUR

Summe: 123,60 EUR

zzgl. Arbeitskosten (485 EUR) = 608,60 EUR

zzgl. MwSt. = 724,23 EUR

5. Der geltend gemachte Zinsanspruch resultiert aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB. Der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten folgt aus §§ 17 Abs. 1, 2 StVG.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 ZPO.

7. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

III.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Zulassung der Revision ist auch nicht i.S.d. § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, da nicht über streitige oder zweifelhafte Rechtsfragen zu entscheiden war.

Berufungsstreitwert: 2.093,36 EUR.

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