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Löschungsanspruch betroffener Person aus Art. 17 DSGVO gegen Inkassounternehmen

AG Hamburg-St. Georg – Az.: 912 C 145/20 – Urteil vom 25.08.2020

1. Die Beklagte wird verurteilt, sämtliche personenbezogenen Daten betreffend die Klägerin zu löschen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten zu unterlassen, personenbezogene Daten betreffend die Klägerin bezüglich der Forderung der Firma aus den Rechnungen vom 26.6.2018 (Rechnungs-Nr. 419…) und 28.6.2018 (Rechnungs-Nr. 445…) zu speichern.

3. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 22% und die Beklagte 78% zu tragen.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin und die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 4.500,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin ist (nach ihrem unbestrittenen Vortrag) seit mehreren Jahrzehnten als Vertriebsmitarbeiterin in der Versicherungsbranche tätig. Von den Versicherungen bzw. von ihrem Arbeitgeber erfolgen regelmäßig Anfragen zu ihrem finanziellen Status. Die Beklagte ist ein Inkassounternehmen. Die Klägerin nimmt die Beklagte unter anderem auf Löschung personenbezogener Daten in Anspruch.

Mit Schreiben vom 20.12.2019 machte die Beklagte gegenüber der Klägerin aus abgetretenem Recht Forderungen der Firma O. geltend. Im Adressfeld dieses Schreibens sind Name und Anschrift der Klägerin aufgeführt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Schreiben auf Bl. 5 der Gerichtsakte verwiesen.

Gerichtet waren die Rechnungen der Firma O. an eine Frau V., wohnhaft in der in. Diesbezüglich wird hinsichtlich der Einzelheiten auf die Rechnungen auf Blatt 10 ff. der Gerichtsakte verwiesen.

Mit Schreiben vom 28.12.2019 wies die Klägerin die Beklagte darauf hin, dass sie zu keiner Zeit irgendeinen Vertrag mit der Firma O. abgeschlossen habe. Des weiteren widersprach die Klägerin der Verarbeitung und Nutzung ihrer Daten und ersuchte die Beklagte um sofortige Löschung der Daten.

Mit Schreiben vom 08.01.2020 teilte die Beklagte mit, sie sei gemäß Art. 6 Abs. 1 b) DSGVO zur Nutzung und Verarbeitung der Daten berechtigt.

Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 22.01.2020 forderte die Klägerin die Beklagte erneut auf zu erklären, sämtliche über die Klägerin gesammelten Daten vollständig zu löschen und überdies eine Erklärung des Inhaltes abzugeben, dass die der Klägerin durch die unrechtmäßige Verarbeitung ihrer Daten nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO entstandenen Schäden ausgeglichen würden.

Hierauf teilte die Beklagte mit Schreiben vom 28.02.2020 mit, dass eine Löschung der Daten nicht erfolgen würde.

Löschungsanspruch betroffener Person aus Art. 17 DSGVO gegen Inkassounternehmen
(Symbolfoto: Von Manuel Ballauf /Shutterstock.com)

Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe in ihrem Schreiben vom 20.12.2019 darauf hingewiesen, dass die Daten der Klägerin und insbesondere ihre angeblich mangelnde Zahlungsmoral gespeichert worden seien. Weiterhin habe die Beklagte der Klägerin im vorgenannten Schreiben mitgeteilt, die Beklagte sei berechtigt, die über die Klägerin erhobenen Daten Abtretungsempfängern, Auskunfteien, Dienstleistern, Drittschuldnern, Einwohnermeldeämtern, Gerichten, Gerichtsvollziehern, Rechtsanwälten und Gläubigern zuleiten zu dürfen.

Die Klägerin meint, der Beklagten stehe ein Anspruch auf Verarbeitung und Nutzung ihrer Daten nicht zu. Stattdessen habe die Klägerin gemäß Art. 17 Abs. 1 DSGVO wegen der unrechtmäßigen Verarbeitung ihrer Daten Ansprüche auf sofortige und ersatzlose Löschung sowie zukünftige Unterlassung der Weitergabe ihrer Daten an Dritte.

Die Klägerin meint weiter, die Beklagte habe ihr gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO den Schaden zu ersetzen, welcher ihr wegen der unrechtmäßigen Verarbeitung ihrer Daten entstanden sei. Dies seien zum einen die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung. Zum anderen fielen hierunter auch die Kosten, die die Klägerin selbst aufgewendet habe, um die unrechtmäßigen Forderungen zurückzuweisen und die Löschung ihrer Daten zu verlangen. Der Schaden der Klägerin könne noch nicht abschließend beziffert werden. Daher bestehe ein Feststellungsinteresse.

Die Klägerin beantragt:

1) Die Beklagte wird verurteilt, sämtliche personenbezogenen Daten betreffend die Klägerin zu löschen.

2) Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten zu unterlassen, personenbezogene Daten betreffend die Klägerin bezüglich einer angeblichen Forderung der Firma O. gegenüber der Klägerin zu speichern und/oder an Dritte weiterzugeben.

3) Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche materiellen Schäden zu ersetzen, die der Klägerin aus der rechtswidrigen Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten durch die Beklagte entstanden sind und noch entstehen werden, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, sie habe in ihrem Schreiben vom 20.12.2019 die Klägerin nicht darauf hingewiesen, dass die Daten der Klägerin und ihre mangelnde Zahlungsmoral gespeichert worden seien. Sie habe lediglich auf eine Speicherung personenbezogener Daten auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 1 b) und f) DSGVO hingewiesen. Zudem habe sie im vorgenannten Schreiben darauf hingewiesen, dass eine Weitergabe von Daten an Wirtschaftsauskunfteien nur erfolge, sofern die Forderung nicht bestritten werde. Da die Klägerin die Forderung bestritten habe, sei keine Weitergabe ihrer Daten erfolgt. Auch bezüglich sonstiger Dritter sei die Klägerin lediglich über eine mögliche Weitergabe ihrer Daten informiert worden. Auch insoweit sei eine Weitergabe von Daten jedoch nicht erfolgt.

Die Beklagte behauptet weiter, zu dem streitgegenständlichen Vorgang habe sie keine Daten der Klägerin gespeichert und verarbeitet, sondern nur die Daten einer gleichnamigen Schuldnerin. Die Adressdaten seien ihr von einer Auskunftei mitgeteilt worden.

Die Beklagte meint, für den klägerischen Anspruch gebe es keine Rechtsgrundlage. Die Beklagte habe in Bezug auf die streitgegenständliche Forderung lediglich fall- und schuldnerbezogene Daten ohne Bezug zur Klägerin verarbeitet. Diese Verarbeitung sei auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO als notwendige Information im Rahmen des Einzugsverfahrens rechtmäßig.

Vorliegend würden zudem die Ausnahmetatbestände des Art. 17 Abs. 3 lit b) und e) DSGVO eingreifen. Danach würde Art. 17 Abs. 1, 2 DSGVO nicht gelten, wenn eine Verarbeitung der Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung diene oder zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen erforderlich sei. Diese Voraussetzungen seien vorliegend erfüllt. Die Verarbeitung der Daten diene der Geltendmachung von Rechtsansprüchen der Firma O.. Darunter würden auch die „Fehlanzeigen“ in Bezug auf Anschriften fallen, unter denen die Schuldnerin nicht wohne, um die Inanspruchnahme unbeteiligter Dritter zukünftig zu verhindern. Darüber hinaus benötige die Beklagte die im Rahmen des streitgegenständlichen Einziehungsvorganges angefallenen Daten auch zur eigenen Rechtsverteidigung, wie das vorliegende Verfahren beweise. Sie benötige die Dokumentation des Vorgangs ferner zur Verteidigung für den Fall, dass die Klägerin noch weitergehende Ansprüche gegen sie geltend machen sollte.

Im Hinblick auf den Klagantrag zu 2) meint die Klägerin unter anderem, es fehle an einer Wiederholungsgefahr. Es liege überhaupt keine Verletzungshandlung vor, welche zukünftig zu unterlassen wäre. Es sei zudem nicht ersichtlich, inwiefern eine unrechtmäßige Weitergabe von Daten der Klägerin drohen soll.

Im Hinblick auf den Klagantrag zu 3) meint die Klägerin, es fehle an einem Feststellungsinteresse, da der angebliche Schaden bereits jetzt mit einer Leistungsklage geltend gemacht werden könne.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie den übrigen Akteninhalt verwiesen.

Mit Beschluss vom 17.07.2020 hat das Gericht im Einverständnis beider Parteien das schriftliche Verfahren angeordnet. Als Zeitpunkt, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht, hat es den 14.08.2020 bestimmt.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist im Hinblick auf den Klageantrag zu 3) unzulässig. Im Übrigen ist die Klage zwar zulässig, jedoch nur teilweise begründet.

I)

Die Klage ist im Hinblick auf den Klageantrag zu 3) unzulässig. Voraussetzung für die Zulässigkeit der Klage wäre insoweit das Bestehen eines Feststellungsinteresses. An einem Feststellungsinteresse fehlt es jedoch, wenn der Kläger dasselbe Ziel mit einer Klage auf Leistung erreichen kann (BeckOK ZPO/Bacher, 37. Ed. 1.7.2020, ZPO § 256 Rn. 26). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Kläger Schadensersatz fordert und die Schadensentwicklung bereits abgeschlossen ist (a.a.O., Rn. 27).

Vorliegend ist die Schadensentwicklung bereits abgeschlossen. Es ist nicht ersichtlich, welche Schäden zukünftig noch entstehen können. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass es keine Anhaltspunkte dafür gibt, die Beklagte könnte die Daten der Klägerin an Dritte weitergeben. Die Beklagte hat in ihrem Schreiben vom 20.12.2019 die Weitergabe der Daten vom Eintritt bestimmter Voraussetzungen abhängig gemacht. U.a. soll eine Weitergabe dann nicht erfolgen, wenn die zugrunde liegende Forderung vom Schuldner bestritten werde. Vorliegend hat die Klägerin die beklagtenseits geltend gemachte Forderung bestritten. Es ist nicht ersichtlich, dass sich die Beklagte an ihre Erklärung, die Daten nicht weiterzugeben, nicht gehalten hätte bzw. in der Zukunft nicht halten wird.

II)

In der Sache hat die Klage im Hinblick auf den Klageantrag zu 1) vollumfänglich, im Hinblick auf den Klageantrag zu 2) nur teilweise Erfolg.

1)

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Löschung ihrer Daten (Klageantrag zu 1). Dieser Anspruch folgt aus Art. 17 DSGVO.

a) In tatsächlicher Hinsicht ist zunächst folgendes festzustellen:

aa) Im vorliegenden Fall ist eine Verarbeitung von personenbezogenen Daten der Klägerin durch die Beklagte erfolgt; die gegenteilige Einschätzung der Beklagtenseite trifft nicht zu.

Personenbezogene Daten sind nach Art. 4 Nr. 1 DSGVO alle Informationen, die sich auf eine identifizierte natürliche Person beziehen, d.h. insbesondere Name und Anschrift dieser Person. „Verarbeitung“ ist nach Art. 4 Nr. 2 DSGVO u.a. die Speicherung und die Verwendung der personenbezogenen Daten.

Indem die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 20.12.2019 mit ihrem eigenen Namen und unter ihrer eigenen Adresse angeschrieben hat (und nicht unter der Adresse der tatsächlichen Schuldnerin in Wuppertal), hat sie die Daten der Klägerin verwendet. Da es sich um ein maschinengeschriebenes Schreiben handelt ist das Gericht auch davon überzeugt, dass Name und Anschrift der Klägerin in den Systemen der Beklagten gespeichert sind. Dass dies offenbar auf einem Versehen beruhte (nämlich der ungeprüften Übernahme der von der Auskunftei mitgeteilten Adressdaten) ändert nichts daran, dass eine Verarbeitung von Daten der Klägerin vorliegt.

bb) Der Vortrag der Klägerin zu den Hinweisen, die die Beklagte in ihrem Schreiben vom 20.12.2019 erteilt hat, trifft in dieser Pauschalität nicht zu. Die Klägerin hat vielmehr am Schluss ihres Schreibens darauf hingewiesen, dass die Weitergabe von Daten an Wirtschaftsauskunfteien erfolgen kann, wenn die geltend gemachten Forderungen nicht bestritten würden. In dem Schreiben der Beklagten vom 20.12.2019 steht insbesondere nicht, dass eine mangelnde Zahlungsmoral der Klägerin gespeichert würde.

b) In rechtlicher Hinsicht ist zunächst folgendes festzustellen:

Die Verarbeitung der Daten der Klägerin ist nicht bereits nach Art. 6 Absatz 1 b DSGVO rechtmäßig. Nach dieser Vorschrift ist die Verarbeitung rechtmäßig, wenn sie für die Erfüllung eines Vertrags, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist, oder zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen erforderlich ist, die auf Anfrage der betroffenen Person erfolgen. Die Klägerin ist jedoch nicht Partei desjenigen Vertrages mit der Firma O., aufgrund dessen die Beklagte Ansprüche geltend macht.

Von den übrigen Tatbeständen für eine rechtmäßige Verarbeitung der Daten kommt allein Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO in Betracht. Hiernach ist die Verarbeitung rechtmäßig, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen. Zu den berechtigten Interessen des Verantwortlichen (hier der Beklagten) gehört auch das Interesse an einer möglichst hohen Effektivität der Inkassodienstleistung, also an einem möglichst effizienten Forderungsmanagement. Hierdurch sollen Forderungsausfälle der Gläubiger so gering wie möglich gehalten werden, die notwendige Liquidität der Wirtschaftsunternehmen gewahrt und der erstattungspflichtigen Schuldner so wenig wie möglich mit weiteren Kosten belastet werden (vgl. hierzu Plath in: Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, Artikel 6 DSGVO, Rn. 101).

Vor diesem Hintergrund könnte auch die Verarbeitung der Daten der Klägerin rechtmäßig sein, insbesondere unter dem von der Beklagten angesprochenen Gesichtspunkt der Fehlanzeigen in Bezug auf Anschriften, unter denen ein bestimmter Schuldner nicht wohnt.

c) Ob die Verarbeitung der Daten der Klägerin nach Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO rechtmäßig ist kann jedoch offen bleiben. Selbst wenn die Verarbeitung der Daten der Klägerin nach dieser Vorschrift rechtmäßig wäre, hätte sie einen Anspruch auf Löschung der Daten aus Art. 17 Abs. 1 c) DSGVO. Nach dieser Vorschrift besteht ein Löschungsanspruch, wenn die betroffene Person gemäß Artikel 21 Absatz 1 DSGVO Widerspruch gegen die Verarbeitung ihrer Daten nach Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO einlegt und keine vorrangigen berechtigten Gründe für die Verarbeitung vorliegen.

aa) Die Klägerin hat wie im Tatbestand ausgeführt Widerspruch gegen die Verarbeitung ihrer Daten eingelegt. Hierzu war sie nach Art. 21 Abs. 1 DSGVO auch berechtigt. Nach dieser Vorschrift hat die betroffene Person (hier die Klägerin) das Recht, aus Gründen, die sich aus ihrer besonderen Situation ergeben, jederzeit gegen die Verarbeitung sie betreffender personenbezogener Daten, die aufgrund von Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe f erfolgt, Widerspruch einzulegen. Der Verantwortliche verarbeitet in diesem Fall die personenbezogenen Daten nicht mehr, es sei denn, er kann zwingende schutzwürdige Gründe für die Verarbeitung nachweisen, die die Interessen, Rechte und Freiheiten der betroffenen Person überwiegen, oder die Verarbeitung dient der Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen.

Voraussetzung des Widerspruchs ist damit, dass das Widerspruchsrecht auf Gründen fußt, die sich aus der besonderen Situation des Betroffenen ergeben. Die Datenverarbeitung als solche reicht damit nicht aus, um ein Widerspruchsrecht zu begründen. Andererseits ist kein strenger Maßstab anzulegen. Es reicht aus, wenn der Betroffene aus sachlichen Gründen die Verarbeitung schlicht nicht wünscht (vergleiche BeckOK DatenschutzR/Forgó, 32. Ed. 1.11.2019, DSGVO Art. 21 Rn. 8). Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. Die Klägerin ist Vertriebsmitarbeiterin in der Versicherungsbranche und in dieser Eigenschaft regelmäßigen Anfragen zu ihrem finanziellen Status unterworfen. Von daher hat sie ein berechtigtes Interesse daran, nicht in den Systemen eines Inkassounternehmens gespeichert zu sein. Schon eine solche Speicherung lässt nämlich erkennen, dass im Hinblick auf die Klägerin ein Inkassounternehmen einmal tätig gewesen ist. Dieser Umstand ist für sich genommen geeignet, Bedenken im Hinblick auf das Zahlungsverhalten der Klägerin zu wecken.

Zwingende schutzwürdige Gründe für die Verarbeitung der Daten hat die Beklagte nicht nachgewiesen. Zwar mag die Speicherung von Fehlanzeigen bezüglich Adressen, unter denen der Schuldner nicht wohnt, sinnvoll sein. Eine solche Speicherung ermöglicht einerseits eine zügige Forderungseintreibung und verhindert andererseits die Inanspruchnahme unbeteiligter Dritter. Zwingend ist eine solche Speicherung indes nicht. Auch ohne eine solche Speicherung bleibt die Forderungseintreibung möglich. Zwar wird die Klägerin damit dem Risiko unterworfen, in der Zukunft erneut unberechtigterweise in Anspruch genommen zu werden. Diesem Risiko hat sich die Klägerin jedoch selbst ausgesetzt, indem sie die Löschung ihrer Daten verlangt hat. Dieses Risiko ist damit von der Klägerin hinzunehmen.

Zwingende schutzwürdige Gründe liegen auch nicht deshalb vor, weil die Beklagte die Daten zur eigenen Rechtsverteidigung bzw. zu Dokumentationszwecken benötigt. Derartige Umstände sind im Rahmen der Ausübung eines Widerspruchsrechts stets gegeben. Art. 21 Abs. 1 DSGVO würde im Ergebnis leerlaufen, wenn man diese Umstände als zwingende schutzwürdige Gründe im Sinne dieser Vorschrift anerkennen würde.

Die Datenverarbeitung dient vorliegend schließlich auch nicht der Verfolgung von Rechtsansprüchen. Wie bereits ausgeführt ist die Klägerin nicht Partei des Vertrages mit der Firma O., aus dem die Beklagte Forderungen geltend macht.

bb) Voraussetzung für eine Löschung ist weiterhin, dass keine vorrangigen berechtigten Gründe für die Verarbeitung vorliegen. Im Lichte der obigen Ausführungen lassen sich vorrangige berechtigte Gründe nicht bejahen.

cc) Anders als die Beklagte meint, steht dem Widerspruch der Klägerin auch nicht die Vorschrift des Art. 17 Abs. 3 b) DSGVO entgegen. Hiernach gilt Art. 17 Abs. 1 nicht, soweit die Verarbeitung erforderlich ist zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung, die die Verarbeitung nach dem Recht der Union oder der Mitgliedstaaten, dem der Verantwortliche unterliegt, erfordert, oder zur Wahrnehmung einer Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde. Dass die Beklagte rechtlich zur Verarbeitung der hier in Rede stehenden Daten verpflichtet wäre, wird von der Beklagten nicht behauptet. Ebenso behauptet die Beklagte nicht, dass die Datenverarbeitung im Rahmen einer ihr eigens übertragenen Aufgabe erfolgt ist.

Ebenso steht dem Widerspruch der Klägerin nicht die Vorschrift des Art. 17 Abs. 3 e) DSGVO (Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen) entgegen. Rechtsansprüche der Beklagten gegen die Klägerin bestehen nämlich wie ausgeführt nicht.

2)

Im Hinblick auf den Unterlassungsantrag (Klageantrag zu 2) ist die Klage begründet, sofern die Klägerin die Unterlassung der Speicherung ihrer Daten begehrt.

a) Voraussetzung des Unterlassungsanspruchs zur Abwehr künftiger Beeinträchtigungen ist das Bestehen einer Wiederholungsgefahr. Hierbei begründet schon die erstmalige rechtswidrige Beeinträchtigung eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr, an deren Wiederlegung durch den Störer hohe Anforderungen zu stellen sind (vgl. Palandt-Herrler § 1004 BGB Rn. 32).

Vorliegend ist es der Beklagten im Hinblick auf die Speicherung der Daten nicht gelungen, die Wiederholungsgefahr zu widerlegen. Vielmehr wird das Bestehen der Wiederholungsgefahr dadurch indiziert, dass die Beklagte nach wie vor von der Rechtmäßigkeit der Speicherung der Daten ausgeht.

Der Unterlassungsantrag ist auch nicht zu unbestimmt. Der Antrag ist dahingehend auszulegen, dass die Klägerin gerade die Unterlassung bezüglich der hier in Rede stehenden Forderungen aus den klägerseits überreichten Rechnungen begehrt. Es ist nicht erkennbar, um was für Forderungen es sonst gehen sollte.

b) Sofern die Klägerin die Unterlassung der Weitergabe ihrer Daten begehrt, hat die Klage dagegen keinen Erfolg. Diesbezüglich fehlt es an der Wiederholungsgefahr. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte die Daten der Klägerin überhaupt weitergegeben hätte. Dafür, dass die Beklagte die Daten in der Zukunft weitergeben könnte, gibt es vor diesem Hintergrund keine Anhaltspunkte. Die Beklagte selbst hat der Klägerin ausdrücklich mitgeteilt, dass eine Weitergabe nicht erfolgt, sofern (wie hier) die beklagtenseits geltend gemachte Forderung bestritten wird.

III)

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nummer 11, 711 ZPO.

Den Streitwert hat das Gericht im Hinblick auf den Klageantrag zu 1) mit 3000 € und im Hinblick auf den Klageantrag zu 2) mit 1000 € festgesetzt. Die höhenmäßige Differenzierung rechtfertigt sich, weil der Löschungsanspruch der stärkste Anspruch ist und mit diesem indirekt auch eine Weitergabe der (gelöschten) Daten unterbunden wird. Hinsichtlich des Klageantrages zu 3) hat das Gericht den Streitwert auf einen Betrag von bis zu 500 € geschätzt. Es ergibt sich damit ein Streitwert in Höhe von 4500 €.

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