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Rückforderung überhöhter Mietzahlung

In einem Rechtsstreit über eine überhöhte Mietzahlung aufgrund des Hamburger Mietenspiegels 2021 verurteilte das Amtsgericht Hamburg-St. Georg den beklagtenVermieter zur Rückzahlung von 5.245,86 € an die klagenden Mieter. Maßgeblich für die Beurteilung der ortsüblichen Vergleichsmiete war trotz späterer Veröffentlichung der Erhebungsstichtag des Mietenspiegels 2021, welcher vor dem Abschluss des Mietvertrages lag. Damit folgte das Gericht nicht der Argumentation des Vermieters, der sich auf den zum Vertragsschluss gültigen Mietenspiegel 2019 berief.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 926 C 248/22

✔ Kurz und knapp


  • Die Kläger forderten 5.245,86 € wegen überhöhter Miete zurück.
  • Der Mietvertrag sah eine Nettomiete von 1.030,00 € pro Monat vor, was nach Ansicht der Kläger über der ortsüblichen Vergleichsmiete lag.
  • Die Kläger argumentierten, dass die Miete laut Hamburger Mietenspiegel 2021 zu hoch angesetzt war.
  • Das Gericht entschied, dass die vereinbarte Miete teilweise nichtig sei und die Kläger Anspruch auf Rückzahlung haben.
  • Der Hamburger Mietenspiegel 2021 wurde als maßgeblich anerkannt, nicht der Mietenspiegel 2019.
  • Die Differenz zwischen der vereinbarten Miete und der ortsüblichen Vergleichsmiete wurde den Klägern zugesprochen.
  • Rückforderung erfolgte aufgrund des § 812 BGB wegen einer ungerechtfertigten Bereicherung.
  • Die Beklagte muss auch die Verfahrenskosten tragen.
  • Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
  • Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der aktuellen Mietspiegel bei Mietpreisvereinbarungen.

Mietrecht: Gerichtsurteil zur Rückzahlung überhöhter Miete in Hamburg

In Deutschland ist die Miete für Wohnraum ein sensibles Th, das in den letzten Jahren verstärkt in den Fokus gerückt ist. Steigende Mieten in Ballungsräumen und die Sorge vor Verdrängung weniger zahlungskräftiger Bevölkerungsgruppen haben zu einer intensiven öffentlichen Debatte und gesetzlichen Regulierungen wie der Mietpreisbremse geführt.

Grundsätzlich haben Vermieter zwar ein Recht, die Miete mit dem Mieter auszuhandeln, allerdings ist dieses Recht aufgrund des besonderen Mietrechtsschutzes erheblich eingeschränkt. So muss die vereinbarte Miete der ortsüblichen Vergleichsmiete entsprechen, um rechtlich Bestand zu haben.

Kommt es in der Praxis zu Mietvereinbarungen, die diese Grenze überschreiten, können Mieter unter bestimmten Voraussetzungen die Rückzahlung der überhöhten Miete verlangen. Wann genau dies der Fall ist und wie Gerichte in solchen Fällen entscheiden, soll im Folgenden anhand eines aktuellen Urteils näher beleuchtet werden.

Rückforderung überhöhter Mietzahlung leicht gemacht

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✔ Der Fall vor dem Amtsgericht Hamburg-St. Georg


Streit über überhöhte Mietzahlung aufgrund Hamburger Mietenspiegel 2021

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer im Mai 2021 getroffenen Mietpreisvereinbarung. Die Kläger sind Mieter einer 80 m² großen Wohnung in Hamburg, die Beklagte ist deren Vermieter. Am 20.05.2021 schlossen sie einen Mietvertrag ab dem 01.07.2021 und vereinbarten eine Nettomiete von 1.030,00 € pro Monat sowie eine Indexmiete ab dem 01.07.2022. Mit Schreiben vom 26.04.2022 forderte die Beklagte eine Indexmieterhöhung von 67,57 €, die vollzogen wurde.

Die Kläger rügten mit Schreiben vom 30.06.2022, dass die Miete nicht der ortsüblichen Vergleichsmiete entspreche. Laut Hamburger Mietenspiegel 2021 sei das Mietobjekt dem Rasterfeld H3 zuzuordnen, woraus sich bei einer Neuvermietung höchstens 9,31 € pro m² ergeben hätten – und nicht wie vereinbart 12,88 € pro m². Sie fordern daher für die Zeit vom 01.07.2021 bis 31.12.2022 insgesamt eine Rückzahlung von 5.245,86 € überhöhter Mietzahlungen.

Maßgeblichkeit des Hamburger Mietenspiegels 2021 trotz späterer Veröffentlichung

Die Beklagte bringt vor, dass der Mietenspiegel 2019 maßgeblich sei, da nur dieser im Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung am 20.05.2021 veröffentlicht war. Darin sei die Wohnlage noch als „gut“ mit einem Mittelwert von 10,32 € eingeordnet gewesen, während im erst im Dezember 2021 veröffentlichten Mietenspiegel 021 nur eine „normale Wohnlage“ mit einem Mittelwert von 8,09 € angegeben werde. Eine nachträgliche Berücksichtigung führe zu einer unzulässigen Rückwirkung und Rechtsunsicherheit. Hilfsweise sei die Wohnung zwischen den Rasterfeldern H3 und H7 einzuordnen.

Das Gericht stellt jedoch klar, dass es auf den Inhalt des Mietenspiegels 2019 hier nicht ankommt. Die gesetzlichen Regelungen zur Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete enthalten keine Vorgaben zum zeitlichen Anwendungsbereich eines Mietenspiegels. Da es sich auch nicht um ein Gesetz oder eine Verordnung handelt, greifen die Grundsätze für eine unzulässige Rückwirkung nicht. Maßgebend ist der Sinn und Zweck des Mietspiegels, die ortsübliche Miete bezogen auf den Erhebungsstichtag zu indizieren. Aufgrund der strengen Regulierung des Wohnraummietrechts kommt dem eine vertragsgestaltende Wirkung zu, so dass nicht nur auf den Willen der Mietvertragsparteien bei Vertragsschluss, sondern auf die objektiven Verhältnisse abzustellen ist.

Mangel der vereinbarten Miete wurde erst mit Veröffentlichung des Mietenspiegels 2021 offenbar

Das Recht des Vermieters, die Miete auszuhandeln, ist durch die Rechtsordnung des BGB stark begrenzt. Daher wird der wirksame Inhalt eines Mietvertrags nicht durch die Erklärungen der Parteien vorbestimmt, sondern durch die objektive Sach- und Rechtslage. Ein Vermieter muss es hinnehmen, dass die „vereinbarte“ Miete nicht der ortsüblichen entspricht, dieser Mangel aber erst mit der späteren Veröffentlichung des Mietenspiegels offenbar wird, dessen Erhebungsstichtag vor dem Vertragsabschluss lag.

Auch der Gesetzgeber sieht, dass ein Mietspiegel für Zeiträume vor seiner Veröffentlichung als Erkenntnisquelle verwendet werden kann, wenn der Stichtag der Datenerhebung vor dem Mieterhöhungsverlangen liegt. Er war jedoch nicht veranlasst, diese „Rückwirkungsproblematik“ gesetzlich zu regeln. Das Risiko des Vermieters ließe sich abmildern, indem er nach Vorlage eines neuen Mietenspiegels bestehende Mietverträge überprüft und ggf. Vertragsänderungen zur Anpassung an die ortsübliche Miete anbietet.

Urteil: Rückzahlung der überhöhten Miete in Höhe von 5.245,86 €

Da die Kläger hier die Miete zurückfordern, die 9,31 € pro m² übersteigt, ergibt sich anhand des Mietenspiegels 2021 nichts für die Annahme der Beklagten, dass die ortsübliche Miete noch höher liegen müsse. Auch bei einer „Annäherung“ an die „gute Wohnlage“ mit einem Mittelwert von 10,70 € streiten keine Gesichtspunkte dafür, die ortsübliche Miete über das geforderte Niveau anzuheben.

Das Amtsgericht Hamburg-St. Georg verurteilt daher die Beklagte, an die Kläger 5.245,86 € nebst Zinsen für die überhöht gezahlte Miete im Zeitraum vom 01.07.2021 bis 31.12.2022 zu zahlen. Zudem hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall


Die Entscheidung stellt klar, dass für die Beurteilung der ortsüblichen Vergleichsmiete der Erhebungsstichtag des Mietspiegels maßgeblich ist, auch wenn dieser erst nach Vertragsschluss veröffentlicht wurde. Vermieter können sich nicht auf einen günstigeren, früher gültigen Mietspiegel berufen. Sie müssen Rückforderungsansprüche der Mieter hinnehmen, wenn sich später herausstellt, dass die vereinbarte Miete über der ortsüblichen lag. Dies folgt aus dem Sinn des Mietspiegels und der strengen Regulierung des Wohnraummietrechts.

✔ FAQ – Häufige Fragen: Rückforderung überhöhter Miete


Wann gilt eine Miete als überhöht und wie kann ich das erkennen?

Eine Miete gilt als überhöht, wenn sie die ortsübliche Vergleichsmiete für eine vergleichbare Wohnung deutlich übersteigt. Die ortsübliche Vergleichsmiete wird aus den üblichen Entgelten gebildet, die in den letzten sechs Jahren in der Gemeinde oder einer vergleichbaren Gemeinde für Wohnraum ähnlicher Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage vereinbart wurden.

Um die ortsübliche Vergleichsmiete zu ermitteln, können Mietspiegel herangezogen werden. Mietspiegel sind Übersichten über die ortsüblichen Mieten, die von Gemeinden oder Interessenvertretern von Vermietern und Mietern erstellt werden. Sie enthalten Mietpreisspannen für unterschiedliche Wohnungstypen und Lagen. Eine Miete, die deutlich über der im Mietspiegel angegebenen Vergleichsmiete liegt, kann als überhöht gelten.

Liegt keine Mietpreisbremse vor, gilt eine Überschreitung der ortsüblichen Vergleichsmiete um mehr als 20 Prozent innerhalb von drei Jahren als überhöht. In Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten darf die Miete maximal 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Eine Miete, die diese Grenzen überschreitet, ist als überhöht anzusehen.

Besteht der Verdacht auf eine überhöhte Miete, sollten Mieter zunächst den Vermieter auf die vermutete Überhöhung hinweisen. Erfolgt keine Korrektur, können überzahlte Beträge unter bestimmten Voraussetzungen vom Vermieter zurückgefordert werden. Mieter sollten in solchen Fällen anwaltlichen Rat einholen.

Welche rechtlichen Möglichkeiten habe ich, wenn ich eine überhöhte Miete gezahlt habe?

Wenn Sie eine überhöhte Miete gezahlt haben, haben Sie unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, die zu viel gezahlte Miete vom Vermieter zurückzufordern. Die wichtigsten Punkte sind:

Mietpreisbremse: Wurde bei Abschluss des Mietvertrags gegen die Mietpreisbremse verstoßen, indem die vereinbarte Miete mehr als 10% über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt, können Sie die überhöhte Miete zurückfordern. Sie müssen den Verstoß allerdings innerhalb von 30 Monaten nach Mietbeginn gegenüber dem Vermieter rügen. Ab Zugang der Rüge beim Vermieter können Sie die zu viel gezahlte Miete für maximal die letzten 3 Jahre zurückverlangen.

Mieterhöhung: Bei einer unwirksamen Mieterhöhung können Sie ebenfalls die überzahlten Beträge vom Vermieter zurückfordern. Die Verjährungsfrist für diese Rückforderungsansprüche beträgt bis zu 10 Jahre ab Entstehen des Anspruchs. Die Frist beginnt aber erst zu laufen, wenn Sie Kenntnis von der Überzahlung erlangen.

Mietwucher: Liegt eine Mietpreisüberhöhung von über 20% vor und hat der Vermieter ein geringes Wohnungsangebot ausgenutzt, können Sie die überhöhte Miete auf die zulässige Höhe absenken lassen. Zusätzlich haben Sie einen Anspruch auf Rückzahlung des überhöhten Mietanteils für die letzten 3 Jahre.

Wohnfläche: Weicht die tatsächliche Wohnfläche erheblich (über 10%) von der vertraglich vereinbarten Fläche ab, können Sie für die Vergangenheit ebenfalls eine anteilige Rückzahlung verlangen. Die Verjährungsfrist hierfür beträgt 3 Jahre ab Kenntnis der Flächenabweichung.

In allen Fällen sollten Sie zunächst eine Rüge an den Vermieter richten und die Mietsenkung bzw. Rückzahlung förmlich geltend machen. Reagiert der Vermieter nicht oder lehnt er ab, bleibt nur der Klageweg vor Gericht. Eine anwaltliche Vertretung ist dabei oft ratsam.

Wie lange kann ich überhöhte Mietzahlungen zurückfordern und gibt es dabei Besonderheiten zu beachten?

Für die Rückforderung überhöhter Mietzahlungen gelten grundsätzlich die regelmäßigen Verjährungsfristen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Das bedeutet, Ansprüche auf Rückzahlung verjähren nach Ablauf von drei Jahren. Die Frist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger (hier der Mieter) von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen.

Beispiel: Ein Mieter zahlt ab Januar 2020 eine zu hohe Miete. Er erlangt hiervon im März 2021 Kenntnis. Die dreijährige Verjährungsfrist beginnt dann mit Ablauf des Jahres 2021 zu laufen. Der Mieter kann bis zum 31.12.2024 Rückzahlung der überhöhten Miete für den Zeitraum ab Januar 2020 verlangen.

Eine Besonderheit gilt, wenn der Mietvertrag nach dem 1. April 2020 abgeschlossen wurde. Aufgrund einer Gesetzesänderung können Mieter dann innerhalb von 30 Monaten nach Vertragsabschluss rügen, dass die vereinbarte Miete die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 10% übersteigt. In diesem Fall kann rückwirkend die gesamte überhöhte Mietzahlung seit Vertragsbeginn zurückgefordert werden.

Wichtig: Der Mieter muss den Vermieter zunächst in Textform (z.B. per Brief oder E-Mail) über die überhöhte Miete informieren. Nur so wird die Verjährung gehemmt und ein Rückforderungsanspruch für die Vergangenheit begründet. Ohne Rüge kann lediglich die überhöhte Miete ab Zugang der Information beim Vermieter zurückverlangt werden.

Auch wenn noch kein Mietspiegel vorliegt, kann überhöhte Miete angegriffen werden. Der Mieter muss dann aber selbst darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass die vereinbarte Miete über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt. Ein Sachverständigengutachten kann hier sinnvoll sein.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils


  • § 812 BGB (Ungerechtfertigte Bereicherung): Dieser Paragraph regelt, dass jemand, der etwas ohne rechtlichen Grund erlangt hat, zur Herausgabe verpflichtet ist. Im vorliegenden Fall haben die Kläger zu viel Miete gezahlt, die sie nun zurückfordern.
  • § 556d BGB (Mietpreisbremse): Diese Vorschrift beschränkt die Miethöhe bei Wiedervermietung in angespannten Wohnungsmärkten. Die vereinbarte Miete darf die ortsübliche Vergleichsmiete höchstens um 10% übersteigen. Die Kläger argumentieren, dass die verlangte Miete diese Grenze überschritten hat.
  • Hamburgische Mietpreisbegrenzungsverordnung: Diese Verordnung konkretisiert die Anwendung der Mietpreisbremse in Hamburg und legt fest, in welchen Gebieten sie gilt. Hier wurde sie angewendet, um die zulässige Miethöhe zu bestimmen.
  • §§ 558 ff. BGB (Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete): Diese Paragraphen regeln die Anpassung der Miete an die ortsübliche Vergleichsmiete. Im Streitfall ist entscheidend, welche Mietspiegel zur Bestimmung der Vergleichsmiete herangezogen werden.
  • § 558d BGB (Qualifizierter Mietspiegel): Ein qualifizierter Mietspiegel ist eine anerkannte Grundlage zur Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete. Im Fall wurde der Hamburger Mietenspiegel 2021 als maßgeblich anerkannt.
  • § 291 BGB (Verzugszinsen): Diese Vorschrift legt fest, dass Zinsen ab dem Zeitpunkt des Verzuges zu zahlen sind. Im Urteil wurden Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 17.12.2022 zugesprochen.
  • § 288 BGB (Verzugszinsen bei Geldforderungen): Ergänzt § 291 BGB und spezifiziert die Zinshöhe bei Verzug. Im Fall wurden die Verzugszinsen nach diesen Regelungen berechnet.
  • § 91 ZPO (Kosten des Rechtsstreits): Diese Vorschrift besagt, dass die unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Im Urteil wurde die Beklagte zur Übernahme der Kosten verurteilt.


⬇ Das vorliegende Urteil vom Amtsgericht Hamburg-St. Georg

AG Hamburg-St. Georg – Az.: 926 C 248/22 – Urteil vom 12.05.2023

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 5.245,86 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17.12.2022 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer im Mai 2021 getroffenen Mietpreisvereinbarung.

Die Kläger sind Mieter einer Wohnung im Objekt …, die Beklagte ist deren Vermieter. Am 20.05.2021 schlossen die Parteien einen Mietvertrag über die 80 m² große Wohnung (Anlage K1), beginnend ab 01.07.2021, und vereinbarten eine Nettomiete von 1.030,00 € pro Monat. Ferner vereinbarten sie eine Indexmiete, beginnend ab dem 01.07.2022. Mit Schreiben vom 26.04.2022 (Anlage K3) forderte die Beklagte bei den Klägern eine „Indexmieterhöhung von 67,57 € ein, die vollzogen wurde. Mit Schreiben des Mietervereins zu Hamburg vom 30.06.2022 (Anlage K2) rügten die Kläger, dass die Miete nicht der ortsüblichen Vergleichsmiete entspreche. Das Mietobjekt sei dem Rasterfeld H3 des Hamburger Mietenspiegels zuzuordnen, woraus sich ein Mittelwert von 8,09 € pro m² ergebe, so dass bei einer Neuvermietung höchstens 9,31 € pro m² – und nicht, wie vorliegend, 12,88 € pro m² – hätten vereinbart werden können.

Die Kläger machen geltend, dass sie für die Zeit vom 01.07.2021 bis zum 30.06.2022 (12 Monate) von der Beklagten insgesamt 3.422,00 € zurückfordern könnten, für die Zeit ab 01.07.2022 bis Dezember 2022 weitere 1.823,46 €. Die zulässige Miete habe unter Anwendung des Hamburger Mietenspiegels zunächst nur 744,80 € betragen, später ab dem 01.07.2022 nur 793,66 €. Maßgebend für die Berechnung sei der Hamburger Mietenspiegel 2021 (Erhebungsstichtag 01.04.2021).

Die Kläger beantragen, den Beklagten zu verurteilen, an sie 5.245,86 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17.12.2022 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie bringt vor, dass der Hamburger Mietenspiegel 2019 maßgeblich sei, weil nur dieser im Zeitpunkt der Unterzeichnung des Mietvertrages am 20.05.2021 veröffentlicht gewesen sei. Es könne daher nicht zu ihren Lasten gehen, dass die Wohnlage … im Wohnanlagenverzeichnis 2019 noch mit „gute Wohnlage“ eingeordnet gewesen sei (mit einer Spanne von 8,26 € bis 13,00 € bei einem Mittelwert von 10,32 € im Rasterfeld H7), während sie in dem erst im Dezember 2021 veröffentlichen Wohnanlagenverzeichnis nur mit „normaler Wohnanlage“ (mit einer Spanne von 6,88 € bis 9,36 € bei einem Mittelwert von 8,09 € im Rasterfeld H3) eingeordnet sei. Die Vertragsparteien seien bei Vertragsschluss von den Maßstäben gemäß Mietenspiegel 2019 ausgegangen. Die nachträgliche Berücksichtigung des Mietenspiegels 2021 führe zu einer unzulässigen Rückwirkung, zumal auch Gesetze erst ab Verkündung gelten, nicht aber schon zuvor. Es könne auch nicht sein, dass der Vermieter jeweils bis zur Veröffentlichung eines neuen Mietenspiegels damit rechnen müsse, dass Mietzinsvereinbarungen unwirksam seien – zwischen dem jeweiligen Erhebungsstichtag und der Veröffentlichung herrsche „totale Rechtsunsicherheit“. Hilfsweise sei die Wohnung hier zwischen Rasterfeld H3 und H7 einzuordnen, weil sie sich nach dem neuen Berechnungssystem des Mietenspiegels in der Nähe zur guten Wohnlage befinde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien im Verlauf des Rechtsstreits zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Klage ist der Beklagten am 16.12.2022 zugestellt worden.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 5.245,86 € aus § 812 BGB wegen überzahlter Miete für das streitbehaftete Mietobjekt im Zeitraum vom 01.07.2021 bis Dezember 2022. Die Beklagte hat in vorgenannter Höhe Zahlungen der Kläger auf die Miete ohne rechtlichen Grund erlangt. Die im Mietvertrag vom 20.05.2021 getroffene Vereinbarung über den Mietpreis ist – gemessen an § 556d BGB i.V.m. der Hamburgischen Mietpreisbegrenzungsverordnung – teilweise nichtig, soweit sie über einen Mietzins von 744,80 € (bzw. von 793,66 € seit dem 01.07.2022) hinausgeht. Die Kläger machen mit Erfolg geltend, dass die ortsübliche Vergleichsmiete, gemessen an den Kenngrößen des Mietenspiegels 2021 der Freien und Hansestadt Hamburg mit Erhebungsstichtag 01.04.2021, geringer ist als die vereinbarte, insbesondere weil das Mietobjekt nach dem Wohnanlagenverzeichnis 2021 nunmehr nur mit einer „normalen Wohnlage“ und damit den Beträgen aus dem Rasterfeld H3 eingeordnet wird. Auf den Inhalt des Mietenspiegels 2019, an dem sich die Beklagte seinerzeit orientiert hat, kommt es dagegen hier nicht an.

Die gesetzlichen Regelungen zur Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete in den §§ 558 ff. BGB verhalten sich zu der Frage des zeitlichen Anwendungsbereichs eines (qualifizierten) Mietenspiegels nicht. In § 558c Abs. 4 S. 2 BGB ist zwar bestimmt, dass die Mietspiegel und ihre Änderungen zu veröffentlichen sind, eine Regelung zum „Inkraft-Treten“ ihres Inhalts enthält das Gesetz hingegen nicht. Da es sich bei einem Mietenspiegel auch nicht um ein Gesetz oder eine (Rechts-)Verordnung handelt, greifen die (verfassungs-)rechtlichen Grundsätze für eine unzulässige Rückwirkung nicht. Maßgebend für die Frage, auf welchen Zeitpunkt abzustellen ist, ist danach, welchen Sinn und Zweck der Inhalt eines Mietenspiegels erfüllen soll. Nach § 558d Abs. 3 wird – sofern die Vorschrift des Absatzes 2 eingehalten ist – vermutet, dass die im qualifizierten Mietspiegel bezeichneten Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete wiedergeben. Die Vermutung ersetzt gleichsam im Prozess die Einholung eines Gutachtens eines Sachverständigen, wozu das Gericht etwa auch dann berechtigt (und gehalten) ist, wenn die Qualifikation eines Mietenspiegels im Streit steht (vgl. BGH, NJW-RR 2021, 76, 79, Rn. 29). Im Wesentlichen erfüllt der Inhalt des Mietenspiegels demnach den Zweck, die ortsübliche Miete – bezogen auf einen bestimmten Zeitpunkt – zu indizieren, bestenfalls im zeitlichen Zusammenhang mit dem Erhebungsstichtag. Aufgrund der vergleichsweise strengen Regulierung des Wohnraummietrechts – auch im Vergleich zu anderen Vertragstypen – kommt dieser Zweckbestimmung vertragsgestaltende Wirkung dahingehend zu, als dass nicht nur auf den Willen der Mietvertragsparteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen ist, sondern auf die objektiven Verhältnisse. Das Recht des Vermieters, die Miete mit dem Mieter auszuhandeln, ist aufgrund der Rechts- und Werteordnung des BGB von vornherein stark begrenzt, weswegen der (wirksame) Inhalt eines Mietvertrages nicht durch die Erklärung der Vertragsparteien vorbestimmt wird, sondern die durch objektive Sach- und Rechtslage. Mithin muss es ein Vermieter hinnehmen, dass die „vereinbarte“ Miete nicht der ortsüblichen Miete entspricht, dieser Mangel aber erst mit der späteren Veröffentlichung des Mietenspiegels – dessen Erhebungsstichtag wie hier vor dem Abschluss des Vertrages lag – offenbar wird. Diese Problematik hat auch der Gesetzgeber im Zuge der Reform des Mietspiegelrechts gesehen: „Die Veröffentlichungspflicht dient vor allem dazu sicherzustellen, dass Mietspiegel den Vermietern und Mietern zugänglich sind. Sie hat aber nicht zur Folge, dass ein Mietspiegel erst für den Zeitraum nach der Veröffentlichung anwendbar wird. Auch für Zeiträume vor der Veröffentlichung kann der Mietspiegel als Erkenntnisquelle verwendet werden. Relevant wird diese Frage, wenn der im Mietspiegel bestimmte Stichtag, zu dem die ortsübliche Vergleichsmiete ermittelt wurde, vor dem Zugang eines Mieterhöhungsverlangens liegt, der Mietspiegel selbst aber erst später veröffentlicht wird.“ (vgl. BT-Drs. 19/26918, S. 22). Dazu veranlasst, diese „Rückwirkungsproblematik“ gesetzlich zu regeln, war er hingegen nicht. Daher wird auch mit zutreffenden Erwägungen vertreten, dass es in Fällen wie hier nicht auf den im Zeitpunkt des Vertragsschlusses veröffentlichten Mietenspiegel ankommt, sondern auf die zu diesem Zeitpunkt bereits erhobene Datenlage, auch wenn diese erst später – als Grundlage eines neuen Mietenspiegels – veröffentlicht wird (vgl. AG Hamburg, Urt. v. 29.04.2022 – 48 C 251/21 = ZMR 2023, 118; a.A. etwa LG Berlin, Urt. v. 02.12.2003 – 64 S 86/03; Fleindl, in: BeckOGK-BGB, 1.4.2023, § 558d, Rn. 33; Börstinghaus, in: Schmidt-Futterer, MietR, 15. Aufl. 2021, § 558d BGB, Rn. 128). Das Risiko des Vermieters, zu späterer Zeit ggfs. Rückforderungansprüchen seines Mieters ausgesetzt zu sein, ließe sich darüber hinaus dadurch abmildern, dass er nach Vorlage eines neuen Mietenspiegels einen zuvor abgeschlossenen Mietvertrag auf seine Konditionen überprüft und der Mietvertragspartei bei einem unzulässigen Übersteigen der „vereinbarten“ Miete gegenüber der ortsüblichen Miete ein Angebot zur Vertragsänderung, bezogen auf die „Miete gemäß Mietenspiegel“, unterbreitet. Im Gegenzug wird dem Vermieter bei einer Steigerung der ortsüblichen Vergleichsmiete, die in der Zeit zwischen der Datenerhebung zum Mietspiegel und dem Zugang des Mieterhöhungsverlangens eingetreten ist (sog. Stichtagsdifferenz), auch ein Zuschlag zum Mietspiegelwert zugebilligt, der – weil der Mietspiegel eine wichtige, aber nicht bindende Informationsquelle ist – vom Gericht im Rahmen tatrichterlichen Ermessens zu bestimmen ist (vgl. BGH, NJW 2017, 2679 Rn. 19 ff.).

Da die Kläger hier (lediglich) die Miete zurückfordern, die den Betrag von 9,31 € pro m² übersteigt, ergibt sich vor dem Hintergrund des Mietenspiegels 2021 nebst Wohnanlagenverzeichnis (mit einer oberen Spanne im Rasterfeld H3 von 9,36 €) nichts für die Annahme der Beklagten, dass die ortsübliche Miete noch höher liegen müsse. Selbst bei einer „Annäherung“ an die „gute Wohnlage“ (Rasterfeld H7) und einem Mittelwert von 10,70 € (untere Spanne: 8,28 €) streiten hier keine tatsächlichen Gesichtspunkte dafür, die ortsübliche Miete noch über das o.g. Niveau anzuheben.

Der Anspruch der Kläger auf Zahlung von (Prozess-)Zinsen folgt aus den §§ 291 S. 1, 288 BGB.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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